Am Donnerstag veranstaltete die türkische Tageszeitung „Sabah“ das zweite internationale Fußball-Wirtschaftsforum in Istanbul. Auf der Veranstaltung waren wichtige Persönlichkeiten des türkischen Fußballs wie Nihat Özdemir (TFF-Präsident), Senol Günes (Nationaltrainer), Ahmet Bulut (Spielermanager), Atiba Hutchinson (Besiktas-Spieler) und Ugurcan Cakir (Trabzonspor-Spieler) vertreten, die auch alle an verschiedenen Podiumsdiskussionen teilnahmen. Außerdem waren Funktionäre der Vereine wie Mustafa Cengiz (Galatasaray-Präsident) und Ahmet Agaoglu (Trabzonspor-Präsident) mit von der Partie. Während TFF-Präsident Özdemir neue Projekte und Entscheidungen bekanntgab, sprach Nationaltrainer Günes unter anderem über die finanziellen Wahrheiten im Fußball.
Nihat Özdemir: „Der Supercup könnte mit vier Mannschaften gespielt werden“
Zu Beginn des Forums hielt Özdemir eine Eröffnungsrede und brachte seinen Wunsch von zwei Mannschaften in der UEFA Champions League zur Sprache: „Die Teilnahme an der EURO 2020 wird für den türkischen Fußball auch in finanzieller Hinsicht einen gewissen Vorteil verschaffen. Viele europäische Klubs halten sich mit den Einnahmen aus der „Königsklasse“ über Wasser. Wir haben es in den letzten zwölf Jahren immer nur geschafft jeweils eine Mannschaft ins Rennen zu schicken. Außerdem sind wir von unseren Erwartungen weit entfernt. Es müssen zwei Mannschaften teilnehmen, das muss unser Ziel sein. Wir sind in Europa finanziell gesehen das sechststärkste Land. Im Fußball haben wir Einnahmen in Höhe von knapp zwei Milliarden Dollar. Deshalb muss der zweite Teilnehmer in der Champions League unser Ziel sein.“
Zum Schluss seiner Ansprache verkündete der 69-jährige Geschäftsmann eine mögliche Veränderung des Supercups um den Markenwert des türkischen Fußballs anzukurbeln: „Wir versuchen den Markenwert mit aller Kraft voranzutreiben. Jeder muss sich angesprochen fühlen und wir müssen die Sache Schulter an Schulter angehen. Wir müssen die Anteile am Kuchen vergrößern. Dazu gehört insbesondere die Erhöhung der Zuschauerzahlen sowohl im Stadion als auch vor dem Fernseher und auf der ganzen Welt. Wenn es sein muss, können wir den Supercup erneuern und in einem ganz anderen Modus abhalten. Wir könnten mit vier Mannschaften ein kleines Turnier organisieren, welches im Ausland stattfindet. Um eine starke finanzielle Basis zu entwickeln, müssen wir in die Jugend investieren. Nach dem Januar werden wir noch härter mit Punktabzügen, Transfersperren und sogar Zwangsabstiegen durchgreifen.“
Senol Günes: „Wollte Kagawa nicht“
Im weiteren Verlauf des Tages kam es zu einer Podiumsdiskussion mit Nationaltrainer Günes, der zunächst Interessantes zum Shinji Kagawa-Deal zu seiner Zeit bei Besiktas verriet: „Die Funktionäre wollten unbedingt die Verpflichtung von Kagawa. Ich allerdings überhaupt nicht. Wir waren mit Adem Ljajic, Oguzhan Özyakup und Muhayer Oktay auf dieser gut Position besetzt und zudem gab es Zahlungsschwierigkeiten. Ich wollte, dass die Zahlungen an die Spieler getätigt werden. Man muss zudem immer wieder bedenken, dass die ausländischen Spieler dem Geld zuliebe in die Türkei kommen. Wenn sie nicht bezahlt werden, kann man auch nichts erwarten. Das war bei einigen Spielern der Fall, die nach einer Weile den Draht zum Verein verloren haben, wie es zum Beispiel bei Adriano der Fall war. Ich kann die Vereinsoberhäupter aber auch verstehen. Schließlich ist der Druck sehr groß. Im Anschluss habe ich mich aber auch einsichtig gezeigt. Es war zwar ein sehr niedriger Betrag, aber zum Ende der Saison konnte er wieder nicht fest verpflichtet werden.“
„Wir haben Arda Turan fertig gemacht“
Der 67-jährige Übungsleiter verlor auch ein paar Worte über Ex-Barcelona-Spieler Arda Turan, dessen Karriere auf dem absteigenden Ast ist. Günes ist der Ansicht, dass nicht nur Turan schuldig ist: „Arda ist nicht von alleine so geworden. Wir alle haben einen gewissen Anteil daran und haben alle gemeinsam die große Weltmarke Arda Turan denunziert. Die Leute, die damals im Haus von Arda in Barcelona über Tage und Nächte hinweg gehaust haben, sagen jetzt ganz andere Sachen.“
Günes befürwortet mehr Transfers nach Europa
„Wir haben ein großes Problem bei der Spielerausbildung. Um noch mehr Spieler und sogar neue Generationen hervorzubringen, müssen wir Akademien errichten, die wie eine Art Fabrik sind. Cenk Tosun ist für über 20 Millionen Euro, Yusuf Yazici für fast 20 Millionen Euro nach Europa verkauft worden. Jeder von ihnen ist eine große Devisenquelle für uns. Und wir reden tatsächlich noch über Ausländer und Inländer. Wenn wir verkaufen, bringt es uns Geld. Wenn wir einkaufen, müssen wir zahlen. Und wir beschützen die türkischen Wirtschaft? Wenn ihr sie beschützen wollt, dann müsst ihr produzieren und verkaufen“, sprach sich der frühere Besiktas-Trainer für mehr Verkäufe nach Europa aus.
Geld zerstört den Fußball
Günes legte zum Ende nach: „Ich bin nun seit 52 Jahren im Fußballgeschäft. Es war eine Zeit, in der es im Fußball nicht um Wirtschaft und Geld ging. Fußball war eigentlich eine Angelegenheit für Menschen, die nichts zu tun hatten. Das Geld zerstört den Fußball. Als es noch kein Geld gab, hatten wir Spaß am Fußball. Das ist genau das, was wir bei der Nationalmannschaft versuchen zu erreichen. Wir müssen den Fußball vielfältiger machen. Klar ist Geld hilfreich, aber Reichtum verschafft ihnen keine Vorteile. Ich denke, dass die neue Generation sehr gut ist. Wenn etwas dazwischen funken und es zerstören könnte, dann ist es wieder das Geld. Der Fußball genießt einen hohen Stellenwert in unserem Leben. Wir haben nicht die gesunde Mitte finden können und schlagen uns nun die Köpfe ein ob Senol, Fatih [Terim] oder [Mircea] Lucescu für diesen Erfolg verantwortlich ist. Wir haben es alle gemeinsam erreicht. Wenn das Land erfolgreich ist, dann sind wir es alle.“