Der entlassene türkische Nationaltrainer Stefan Kuntz war zu Gast bei der „ARD Sportschau“ und kommentierte seinen Abschied aus der Türkei: „Die Erfahrungen, die ich in der Türkei gesammelt habe, werden mir bei meinen kommenden Aufgaben und Tätigkeiten mit Sicherheit sehr helfen“, erklärte der 60-jährige Neunkirchener. Der zweimalige deutsche U21-Europameister-Trainer verriet zudem, dass es kein Angebot seitens des deutschen Verbandes (DFB) gegeben habe: „Ich habe kein Angebot vom deutschen Fußballverband bezüglich der Frauennationalmannschaft erhalten. Sollte ein Verantwortlicher mit mir in Kontakt treten, werde ich dies bekanntgeben.“
Kuntz kann keinen Grund für Entlassung finden
Kuntz betonte, dass er offen für alle Engagements als Trainer sei: „Es macht ab jetzt keinen Unterschied, ob es um eine Tätigkeit bei einer Nationalmannschaft oder einem Verein handelt. Wenn es sich um ein Angebot handelt, bei dem ich das Gefühl habe, ich kann mich noch weiter entwickeln kann, dann muss es keine große Aufgabe sein. Für mich ist nur der Inhalt der Aufgabe wichtig.“ Auf die Frage, warum er seiner Meinung nach entlassen wurde, entgegnete Kuntz Folgendes: „Der Verbandsvorstand, der mich geholt hat, hat sich geändert. Mit der Zeit zeichnete sich ab, dass es kein Vertrauensverhältnis und die nötige Unterstützung gab. Darum habe ich diese Entwicklung im Stillen schon erwartet. Es ist eine schlechte Entwicklung, denn wir hatten viele Punkte geholt. Es ist schwer, einen Grund zu finden, warum ich als türkischer Nationaltrainer entlassen wurde. Und sie haben immer noch keinen Grund gefunden.“
Kritik an türkischer Presse und Nutzung von Social-Media
Allerdings machte der frühere Besiktas-Profi deutlich, dass der Einfluss der türkischen Medien seiner Ansicht nach sehr groß sei: „Die türkische Presse spielte eine äußerst große Rolle. Zum Beispiel kann man hier keine Lüge als Meldung veröffentlichen. Denn dagegen kann rechtlich vorgehen. In der Türkei gibt es dies nicht. Dass einige ausgedachte und frei erfundene Meldungen akzeptiert wurden, ist sehr bedauerlich. Aber schlimmer als die Presse sind die sozialen Medien. Man kann dies nicht mit Deutschland vergleichen. In anderen Ländern ist es in den Menschen verankert, die Wahrheit zu hinterfragen und nach Beweisen zu schauen. Aber in der Türkei ist es schwer, so etwas zu sehen. Durch die sozialen Medien beginnt ein Druck auf den Spielern und den Vorständen zu lasten.“
Der Sprung von der U21 in die A-Nationalmannschaft und die Ziele
Der Europameister von 1996 verriet, warum er seinen Posten als deutsche U21-Nationaltrainer nach einer sehr erfolgreichen Zeit aufgab: „Warum habe ich die deutsche U21-Mannschaft verlassen? Ich wollte sehen, ob ich eine A-Nationalmannschaft leiten kann. Weil der Druck dort größer ist und ich sehen wollte, wie ich damit umgehen kann. Außerdem spielen als Ausländer die Emotionen eine viel größere Rolle und damit auch der Druck der öffentlichen Meinung. Die Schlussfolgerungen, die ich hier gezogen habe, sind für mich sehr wichtig. Sie werden mir bei all meinen künftigen Aufgaben helfen. Als ich hier ankam, hatte ich die Weltmeisterschaft im Visier, aber wir schieden in der Playoff-Runde gegen Portugal aus. Danach stiegen wir in die Liga B der Nations League auf. Das dritte Ziel war es, nach Deutschland zu fahren. Dort waren wir mit zehn Punkten in einer guten Position, genau wie Kroatien.“
Kuntz‘ Erkenntnis von der Türkei
Auf die Frage, welche Fehler er heute nicht mehr wiederholen würde, entgegnete Kuntz zum Abschluss Folgendes: „Schwer zu sagen. Das ist eine gute Frage, und ich gratuliere Ihnen dazu. Zunächst einmal hätte ich nicht gedacht, dass sich mit dem Wechsel des Verbandsvorstandes auch die zu erreichenden Ziele ändern würden. Vielleicht hätte ich die türkische Kultur besser analysieren sollen, um in diesem Zusammenhang besser vorbereitet zu sein.“
Ein Kommentar
Unnötige Entlassung