Für die Länderspiele gegen Albanien und Moldawien in der Qualifikation für die Europameisterschaft 2020 wurde Emre Kilinc von Demir Grup Sivasspor von Trainer Senol Günes zum ersten Mal für die Nationalmannschaft nominiert. Für den 24-Jährigen ging damit ein Traum in Erfüllung. Mit sechs Treffern und sechs Vorlagen in 25 Ligaspielen hat sich Kilinc diese Belohnung redlich verdient. Nach seinem Wechsel in der Winterpause der Saison 2017/18 von Boluspor zu Sivasspor machte der Mittelfeldspieler durch gute Leistungen auf sich aufmerksam. Im Interview mit „TamSaha“ gibt er Einblicke in seinen Werdegang.
„Für mich kam die Schule immer an erster Stelle“
Sowohl die Familie von Emre Kilinc als auch er selbst priorisierten stets die schulische Ausbildung. Erst nach dem Gymnasium entschied er sich sein Glück im Fußball zu versuchen: „Einer meiner Verwandten ist damals nach Bolu gewechselt. Sein Bruder spielte bei Kartalspor. Also hatte ich zwei Optionen. Ich entschied mich aus privaten Gründen für Bolu und wurde nach einem Probetraining in die Nachwuchsabteilung des Klubs aufgenommen. Dort hat meine Fußballerkarriere begonnen. Meine Mutter konnte das nicht nachvollziehen. Selbst als ich nach der Vertragsunterschrift bei der ersten Mannschaft nach Hause gekommen bin, hat sie immer noch über meine schulische Ausbildung gesprochen. Zwar ist meine Mutter glücklich, aber sie will weiterhin, dass ich studiere.“
„Meine Lehrer hatten mir empfohlen mein Glück im Fußball zu versuchen“
Um das Potential des Mittelfeldspielers zu erkennen, musste man anscheinend kein Fußballexperte sein. Schon im Schulteam machte Kilinc auf sich aufmerksam: „Meine Lehrer versuchten mir immer behilflich zu sein. Sie hatten mir auch nahegelegt, mein Glück auch mal im Fußball zu versuchen. Bei Auswärtsspielen mit Sivasspor in Istanbul oder in der Nähe kommen meine Lehrer heute noch zuschauen. Ich war schnell und hätte wohl auch Chancen in der Leichtathletik gehabt, doch beide redeten mir ständig ein, mich auf den Fußball zu konzentrieren. Schließlich bin ich ein fleißiger Spieler geworden. Ich komme als Erster auf den Trainingsplatz und gehe als Letzter.“
„Unser System ist auf große Teams ausgerichtet“
Der 24-Jährige weißt auf Konzentrationsprobleme hin, als auf die beachtlichen Ergebnisse mit Sivasspor gegen große, jedoch unnötigen Punktverluste gegen vermeintlich kleinere Teams aufmerksam gemacht wird: „Unser Spielstil ist gegen große Gegner effektiver. Wir sind eine Mannschaft, die hinten gut steht und anschließend schnelle Konter fahren kann. Gegen Medipol Basaksehir sind wir seit zwei Jahren ungeschlagen. Von Besiktas haben wir nur einen Gegentreffer kassiert, gegen Basaksehir gar keinen. Das sind die Teams mit den meisten Treffern in der Liga. Natürlich sind meine Mitspieler gegen die großen Gegner erheblich motivierter, doch wir haben gegen Kasimpasa drei und gegen Erzurumspor vier Tore kassiert. Das darf nicht passieren. Es liegt ein Konzentrationsproblem vor, das uns daran hindert, in die oberen Tabellenregionen vorzudringen.“
„Robinho als Mitspieler zu haben war unbeschreiblich“
Von seinem ehemaligen Mitspieler Robinho konnte Kilinc nur schwärmen: „Als damals in der Winterpause zum ersten Mal sein Name mit unserem Verein in Verbindung gebracht wurde, sagte selbst Trainer Samet Aybaba, dass er ein großartiger Spieler ist, jedoch zu viel Geld verlangen würde. Er war es aber, der mich eines Abends anrief und mir den Vollzug mitteilte. Mich wunderte es. Er hätte zu Kasimpasa gehen können. Istanbul ist eine weltweit bekannte Metropole. Aber er hatte sich für Sivas entschieden. Nachdem Roberto Carlos und Cicinho von der Stadt erzählt haben, akzeptierte Robinho das Angebot. Er war nie luxusorientiert und brachte uns durch seinen Charakter als Mensch und als Spieler vieles bei.“
„Arouna Kone kommt nach unserem Trainer“
Auch für die erfahrenen Spieler im Team hat Kilinc viel Lob und Dankbarkeit übrig: „Kone tritt aufgrund seiner Erfahrung und seines Charakters manchmal anstelle unseres Trainers ein. Er ist ein sehr positiver Mensch und bereitet nie Probleme, egal ob er spielt oder nicht. Mit Kone und Robinho in einem Team zu spielen ist so, als hätte man einen persönlichen Mentor. Ziya Erdal muss ich an dieser Stelle ebenfalls erwähnen. Für sein Alter hat er ein unglaubliches Laufpensum. Hinzu kommt sein toller linker Fuß und sein hervorragendes Spielverständnis. Ich denke, dass wir mehr Wert auf türkische Spieler legen sollten. Falls der ausländische Spieler nicht unbedingt drei bis vier Klassen besser ist, sollte der türkische Spieler zum Einsatz kommen.“
„Mein größter Traum war die Nationalmannschaft“
Emre Kilinc hat sich vor kurzem einen Traum erfüllt. Nämlich den der türkischen Nationalmannschaft. Er stand zum ersten Mal im Kader der „Halbmond“-Auswahl. „Jeder Spieler träumt davon für sein Land und auf Klubebene in Europa zu spielen. Ich hoffe, dass ich von nun an in den erweiterten Kreis der Nationalmannschaft gehöre. Natürlich trifft der Trainer die Entscheidung, doch jeder Spieler zwingt den Coach mit seiner Leistung zu einer Entscheidung. Aktuell bin ich am Höhepunkt meiner bisherigen Laufbahn angekommen und bin sehr glücklich darüber. In Europa würde ich die spanische Primera Division präferieren, da die Liga mehr von der Technik geprägt ist. Das würde besser zu meinem Spiel passen.“