Am Mittwoch trifft die Nationalmannschaft in Köln auf die Türkei. Ein Freundschaftsspiel. Und ein Treffen alter Bekannter.
Für Deutschland sind mit Emre Can (26/Dortmund) und Suat Serdar (23/Schalke) zwei Profis türkischer Herkunft nominiert. Für die Türkei sind gleich sechs Spieler dabei, die in Deutschland geboren wurden: Hakan Calhanoglu (26/AC Mailand), Kaan Ayhan (25/Sassuolo), Ahmed Kutucu (20/Schalke), Kenan Karaman (26/Düsseldorf), Nazim Sangaré (26/Fenerbahçe) und Hasan Ali Kaldirim (30/Basaksehir).
Aber während es früher zwischen den Verbänden regelmäßig zu Gerangel um Nachwuchs-Talente kam, ist es mittlerweile eher ruhig geworden. Das hat Gründe.
★ Das Kölner Scouting-Büro, von dem aus der türkische Verband TFF Jugendliche in ganz Europa beobachtete und für die Nationalmannschaft gewinnen wollte, wurde 2014 geschlossen. Bis zu eine Mio. Euro im Jahr hatte sich die TFF den Betrieb angeblich kosten lassen. Grund für die Schließung: Die TFF wollte mehr auf Talente in der Türkei selbst setzen.
Erdal Keser (59), der das Büro jahrelang leitete, zu BamS: „Ich verstehe das bis heute nicht. Der damalige Verbandspräsident wollte wohl Dinge anders machen, hat den türkischen Fußball dadurch aber um Jahre zurückgeworfen. Wir hatten 25 Scouts überall dort in Europa im Einsatz, wo viele türkischstämmige Menschen leben, jeder mindestens mit Trainer-A-Lizenz. So haben wir Top- Spieler – von den Altintop-Zwillingen bis zu Hakan Calhanoglu – für die türkische Nationalmannschaft gewinnen können.“
★ Es gibt eine Übereinkunft zwischen den Verbänden, dass die Türkei keine Abwerbungs-Versuche mehr startet, sobald sich ein Spieler für die deutsche Junioren-Nationalmannschaft entschieden hat. Ayhan Yildiz (51) vom Europäisch Türkischen Fußballverband ATFF berichtet von einem Treffen zwischen Bundestrainer Jogi Löw (60) und seinem damaligen Amtskollegen Fatih Terim (67): „Dabei wurde beschlossen, dass der türkische Verband an die Spieler rangehen kann, die in der deutschen A-Nationalmannschaft keine Chance haben. Aber vorher melden sie sich beim DFB.“ Der letzte Spieler, der die Seiten wechselte, war Yunus Malli (28) im Jahr 2015.
★ Es fehlen die großen Namen. An Spielern wie Mesut Özil (31) und Ilkay Gündogan (29) war auch der türkische Verband interessiert, sie entschieden sich aber für den DFB.
Erdem Ufak (37), Betreiber von gazetefutbol.de, zu BamS: „Solche Fußballer gibt es aktuell in Deutschland nicht, in Österreich und Holland hingegen schon. Dort gibt es um zwei Spieler großes Gerangel, beide spielen aktuell noch für die einheimischen Nationalmannschaften.“
Auch die Öffentlichkeit in der Türkei ist gelassener geworden. Ufak: „Wenn sich früher ein türkischstämmiger Spieler gegen die Türkei entschieden hat, wurde er schnell mal als ,Verräter‘ bezeichnet. Und hat sich kaum noch ins Land getraut. Das ist heute ganz anders.“
Vorbei auch die Tage, an denen sich der DFB bei türkischen Talenten etwas tollpatschig angestellt hat. Grünen-Politiker Cem Özdemir (54) in der WELT am SONNTAG: „Ich glaube, wir haben mittlerweile viel besser verstanden, wie wir diesen Kampf gewinnen können. Indem wir nämlich richtig auf die Deutsch-Türken zugehen: die Familien mit einbinden, Hausbesuche machen, uns kümmern und bemühen – all das, was in der türkischen Kultur eben wichtig ist.“ Das habe der türkische Fußballbund „vor uns verstanden und versucht, uns die Talente wegzuschnappen“, sagt Özdemir: „Aber wir holen hoffentlich auf …“
Einer, der sich verwechselt hat, ist Tolgay Arslan (30/Udinese Calcio). Der ehemalige Hamburger: „Mir war nicht klar, für welches Land ich auflaufen will. Deshalb habe ich für beide Verbände gespielt, bin in der Jugend dreimal gewechselt, zuletzt zur deutschen U21. Als ich dann in der Türkei bei Besiktas gespielt habe, war mir schnell klar, dass ich für die türkische A-Nationalmannschaft spielen will. Die wollten mich auch, aber das ging dann nicht mehr – wegen der vielen Wechsel in der Jugend. Ich war für Deutschland festgespielt.“ Jogi Löw rief aber nie an …
Serdar Tasci (33) dagegen wurde von Löw angerufen. Der Innenverteidiger, der zuletzt bei Basaksehir Istanbul aktiv war, machte 15 Spiele für Deutschland – das letzte im Jahr 2010.
Heute gilt er als abschreckendes Beispiel. Ayhan Yildiz vom ATFF: „Wenn er sich für die Türkei entschieden hätte, würde er heute noch Nationalmannschaft spielen.“
Sein Verband, eine Privat-Initiative aus Unternehmern, Anwälten und Ex-Sportlern, wendet sich an türkischstämmige Spieler in Deutschland, hilft bei Fragen rund um den Fußball, aber auch bei Schule und Ausbildung. Er sagt: „Wenn wir einen vielversprechenden Spieler entdecken, ist der DFB unser erster Ansprechpartner. Zu der Zusammenarbeit, wie wir sie uns vorstellen, erstellen wir gerade ein Konzept.“
Mit dem türkischen Fußballverband hat die ATFF nach eigenen Angaben keine Kooperation: „Wenn wir allerdings sehen, dass ein Spieler in der Türkei bessere Chancen hat als in Deutschland, weil es dort fünf oder sechs Spieler auf seiner Position gibt, dann ist es sinnvoller, wenn er sich für die Türkei entscheidet …“
★ Übrigens: Die Entscheidung ob Deutschland oder Türkei wird häufig von der Familie mitgetroffen. Eine Mannheimer Familie hat sich für beide Seiten entschieden: Hakan Calhanoglu spielt am Mittwoch für die Türkei, Cousin Kerim (18) steht einen Tag später im Aufgebot der deutschen U19 gegen Frankreich.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf bild.de
Autoren: Matthias Marburg und Lars Wallrodt
Freigabe durch: Matthias Marburg
2 Kommentare
Unglaublich was für Zugeständnisse wir gegenüber den Deutschen gemacht haben. Richtiger Kemalismus Politik betrieben: Nimmt euch so viel Ihr braucht, wir holen uns dann das was am Knochen geblieben ist.
Dieser Cem Özdemir ist wohl der größte Untermensch den es gibt. Versucht mit allen Mitteln gegen die Türkei zu schießen, ich mein was soll der Satz „Aber wir holen hoffentlich auf…“?
Viele Deutsche sagen immer, wenn es dir hier nicht gefällt geh in die Türkei und leb da. Ich hab viele Personen bei meiner Nebentätigkeit, wenn dort ein türkisches Wort fällt, fallen im Gegenzug sofort Sprüche wie „Wir sind in Deutschland, also wird deutsch gesprochen“ oder „Wenn du die deutsche Sprache nicht kannst, geh zu einem Deutschkurs!“.
Zum sportlichen: Ich finde, die Verbände sollten sich mit dem Spieler zusammensetzen, also ein Vertreter aus Deutschland und der Türkei und der Spieler selbst mit seinem Berater und/oder Eltern. Und dann können die Gespräche beginnen, wenn sich der Spieler entschieden hat gewinnt eben der Verband für den sich der Spieler entschieden hat. Private Hausbesuche sind doch totaler Quatsch. So haben beide Seiten die gleichen Chancen den Spieler zu bekommen.
Zu Spielern wie Serdar Tasci, Tolgay Arslan und Co. kann man nicht viel sagen. Sie haben sich entschieden und bekommen die Quittung. Es war doch von Anfang an klar, dass diese nie wieder nominiert werden. Das selbe gilt für Suat Serdar, der nur für solche Testspiele berufen wird. Suat hätte bei uns die deutlich besseren Chancen gehabt zu spielen, wenn er aber sagt, ich sehe mich eher deutsch als türkisch würde ich die Entscheidung verstehen.
Ich denke Spieler wie Ahmed Kutucu, Tolga Cigerci, Yunus Malli und Co. haben sich nur für die Türkei entschieden, weil sie genau wissen, dass sie keine Chancen haben um für Deutschland zu spielen. Gerade Malli hatte uns sehr zappeln lassen, wobei es da gar nichts zu bedenken gab. Aktuell sieht man ja wo Malli ist.