Einige Zeit lang galt er als möglicher Nachfolger des zurückgetretenen Bundestrainers der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft Joachim Löw. Doch als Hansi Flick seinen Rücktritt beim FC Bayern München bekannt gab, war klar, dass seine Bestellung zum neuen Cheftrainer alternativlos war. Stefan Kuntz erklärte seinen Abschied und suchte eine neue Herausforderung. Diese fand er in der türkischen Fußball-Nationalmannschaft.
Die Bemühungen des türkischen Verbandes beeindruckten ihn und so wechselt er nun auch als Trainer erstmals in die Türkei. Das Land kannte Kuntz bereits aus seiner ersten Karriere als Fußballer. Damals hatte er eine Saison lang für Besiktas Istanbul gespielt und in insgesamt 30 Begegnungen neun Tore erzielt. Als frischgebackener Trainer der türkischen Fußball-Nationalmannschaft gab Kuntz zu Protokoll, dass er den Druck zu spüren bekommen möchte. Sein Wunsch wurde schneller erfüllt als gedacht.
Als Geheimfavorit frühzeitig aus der EURO ausgeschieden
Die letzten Monate waren für die Fans der türkischen Fußball-Nationalmannschaft schließlich alles andere als einfach. Vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft wurde das Team von einigen Experten noch zum Kreis der Geheimfavoriten gezählt, doch die Ernüchterung folgt prompt. Nach drei Niederlagen in der Vorrunde und dem folgenden Abschied war der Frust groß. Nach dem Absturz auf Platz drei in der Qualifikationsgruppe für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar hatten die Verantwortlichen genug. Sie trennten sich von Trainer Senol Günes und kürten den Deutschen Stefan Kuntz zu seinem Nachfolger. Günes wurde auch ein Opfer des überfüllten Spielplans der Profis. Dieser wirkt sich zunehmend negativ auf die Elite-Fußballer aus. Das ist längst auch wissenschaftlich belegt: So untersuchte eine Studie den FC Liverpool von Trainer Jürgen Klopp. Sie kam zum Schluss, dass die Spieler häufig nicht aus ihren Positionen herausfinden, wenn sie übermüdet sind. So verringert sich die Synchronisation zwischen den Spielern. Dieses Phänomen konnte man zuletzt auch bei der türkischen Fußball-Nationalmannschaft beobachten, denn das Team fand nicht zu seinem gewohnten Spiel und hatte Probleme zum Abschluss zu kommen. Es ist daher kein Wunder, dass zahlreiche prominente Trainer, wie der angesprochene Jürgen Klopp und auch José Mourinho, die Überlastung ihrer Spieler seit Jahren kritisieren.
Dramatik in Lettland
Stefan Kuntz sprang in seinem neuen Job ins kalte Wasser und war von Beginn an unter Druck. Sein erstes Spiel als Cheftrainer in der Gruppenphase der WM-Qualifikation gegen Norwegen endete mit einem Remis. Umso wichtiger schien vor der Begegnung ein Sieg gegen Lettland; doch ausgerechnet Lettland ist so etwas wie ein Angstgegner für die Türkei. Dementsprechend dramatisch verlief das Spiel: Als die Türkei in der 70. Minute in Rückstand geriet, schien bereits alles verloren. Doch die Spieler von Stefan Kuntz bewiesen Moral und glichen nur fünf Minuten später aus. Damit nicht genug, gelang der Mannschaft in der neunten Minute der Nachspielzeit das Siegestor per Elfmeter. Der gefoulte Yilmaz erlöste ein ganzes Land aus seiner Schockstarre, denn bereits ein Remis hätte alle Träume der türkischen Fans von einer Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar endgültig zerstört. Das Tor in allerletzter Sekunde ließ dann in Folge alle Dämme brechen.
Da flossen die Tränen
Trainer Stefan Kuntz konnte seine Emotionen nicht mehr kontrollieren und weinte vor Glück. TV-Experte Tarik Üstün konnte kaum fassen, welches Bild sich ihm da bot und wurde ebenfalls von seinen Emotionen überwältigt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass der Deutsche Stefan Kuntz endgültig in seiner neuen Fußball-Heimat angekommen ist. Seine Emotionalität rührte die Herzen der türkischen Fans, die mit diesem Sieg weiter Hoffnung auf eine erfolgreiche Qualifikation haben.
Mit diesem Erfolg nimmt Kuntz zahlreichen Kritikern in der Türkei vorerst den Wind aus den Segeln. Sie hätten lieber einen türkischen Nationaltrainer an der Spitze gesehen und taten zuletzt ihren Unmut über die ungewöhnliche Entscheidung des türkischen Fußballverbandes kund. Der Deutsche hat bewiesen, dass er über Nervenstärke und Emotion verfügt. Das sollte ihm bei in der türkischen Öffentlichkeit behilflich sein und mithelfen, die folgenden Spiele gegen Gibraltar und Montenegro erfolgreich zu meistern. Wenn es ihm gelingt, die Mannschaft während der Qualifikation weiter zu verbessern, dann ist ihm der Ruhm in seiner neuen Wahlheimat sicher.
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