Im Verein läuft es zurzeit nicht so, aber dafür umso besser in der Nationalmannschaft. Die Rede ist von Cenk Tosun, der sich beim FC Everton in England nur noch mit der Reservistenrolle begnügen muss. In dieser Saison kam er bei seinem Arbeitgeber wettbewerbsübergreifend nur zu drei Kurzeinsätzen (61 Minuten). Hierbei konnte der aus Wetzlar stammende Stürmer im Ligapokal zwei Assists beisteuern. In der Nationalmannschaft hingegen läuft so gut wie nie zuvor. In sechs Qualifikationsspielen gelangen dem Ex-Bundesligisten fünf Treffer und zwei Assists. Alle Zeichen stehen auf eine Teilnahme an der EURO 2020 mit der türkischen Auswahl, die wohl die beste EM-Quali aller Zeiten spielt. Um für die bevorstehende Europameisterschaft fit zu bleiben, wird auf der Insel und in seiner Heimat über eine bevorstehende Leihe zu Ex-Klub Besiktas gemunkelt. In einem Interview mit „UEFA.com“ sprach der 28-jährige Angreifer über die Nationalmannschaft, den Karrieresprung und seinem Mentor Senol Günes, der auch sein Trainer bei der Nationalmannschaft ist.
Karrieresprung dank Familie
Zu Anfang des Interviews bedankte sich der Everton-Profi bei seiner Familie für die stetige Unterstützung bei den anfänglichen Schwierigkeiten in seiner Karriere: „Wenn ich es soweit geschafft habe, dann ist der größte Faktor meine Familie. Ihnen habe ich vieles zu verdanken. Insbesondere meinem Vater, der ein leidenschaftlicher Fußball-Fan ist. Stellen sie sich vor, wir haben ein Auswärtsspiel ganz weit weg, zum Beispiel in Katar. Er kommt, unterstützt dich, wo es nur geht. Er hat mich beispielsweise damals jeden Tag 35 km zum Training gefahren und dann wieder zurück. Solche Sachen werde ich ihm nie zurückzahlen können. Eine Familie macht viel aus im Leben eines Fußballers. In schwierigen Zeiten sind sie für dich da und das ist sehr wertvoll.“
Wie kam er zur Nationalmannschaft?
„Es stimmt, dass ich bis zur U21 für die deutsche Auswahl aufgelaufen bin und sogar Kapitän war. Es war etwas sehr Besonderes und ich denke, dass ich mich sehr gut eingefunden hatte. Nach meinem Transfer zu Gaziantepspor habe ich eine tolle Saison erlebt. Nach nur einer halben Saison hat mich der damalige Nationaltrainer der Türkei, Guus Hiddink, in die Nationalmannschaft berufen. Ich muss mich entschuldigen, es war zunächst Co-Trainer Okan Buruk, der mir sagte, dass Herr Hiddink mich sprechen möchte. Danach kam es zu einem Gespräch und ich konnte nicht Nein sagen. Wie könnte ich auch, dass war mein Kindheitstraum. Ich komme aus einer nationalistischen Familie und dementsprechend habe ich keine Sekunde überlegt“, so der Ex-Frankfurter.
Eine tolle Generation
Zu der aktuellen Lage in der Nationalmannschaft sagte der Legionär aus der Premier League: „Es herrscht eine tolle Atmosphäre innerhalb der Mannschaft und es ist besonders hervorzuheben, dass viele jüngere Fußballer mit dabei sind. Die Erfahrenen helfen den Jüngeren und sie wiederum zollen ihnen den nötigen Respekt. Wir haben es geschafft, diese tolle Stimmung auch auf dem Feld zu zeigen. Gottseidank stehen wir in der Quali sehr gut, aber wenn wir die bevorstehenden Spiele nicht für uns entscheiden können, hat das alles keinen Sinn. Dass uns die Teilnahme nicht gelingen sollte, schafft bei uns keinen Druck. Wir haben uns darauf vorbereitet, dass wir unter den ersten beiden sein werden. Wir werden gegen Island nicht die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit machen. Das Ziel ist drei Punkte und die Teilnahme an der EURO 2020. Die Europameisterschaft ist sehr von Bedeutung für uns und unser Land. Ich habe zum Beispiel erst bei der EURO 2016 verstanden und realisiert, dass ich ein Fußballer bin. Ein Teil eines solch großen Turniers zu sein, lässt dich anders fühlen und denken. Ich möchte diese Erfahrung und dieses Gefühl noch einmal erleben. Diesmal möchte ich noch mehr Spiele absolvieren und meiner Mannschaft behilflich sein. Wir haben eine tolle Generation und ich glaube daran, falls uns die Teilnahme gelingen sollte, dass wir dort sehr erfolgreich sein werden.“
Schon den GFTV-Newsflash zur Süper Lig gesehen?
„Ich liebe es mit Senol Günes zu arbeiten“
Auf die Randnotiz, dass der Vorname seines Vaters der selbe ist wie der von Coach Senol Günes, lobte Tosun seinen Mentor in den höchsten Tönen: „Ich hatte das schon einmal gesagt, es ist ein sehr großer Zufall. Beide Senols haben einen enormen Anteil an meinem Erfolg und sind sehr von Bedeutung für mich. Mit ihm habe ich zwei Spielzeiten bei Besiktas verbracht und wir wurden in beiden Meister. An meinem Wechsel zu Everton war er nach meinem Vater maßgeblich beteiligt. Unser Verhältnis zueinander ähnelt mehr einem Vater-Sohn-Verhältnis. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er früher Lehrer war, aber er hat einen unglaublichen Draht zu allen Spielern. Die Rede hierbei ist nicht nur von mir, sondern auch anderen Kollegen. Er ist ein großer Gewinn und sehr wertvoll für unser Land. Ich liebe es mit ihm zu arbeiten.“
„Caglar Söyüncü ist zurzeit einer der besten Innenverteidiger der Premier League“
Zum Ende des Interviews sprach der zweimalige türkische Meister über seinen Kollegen auf der Insel Caglar Söyüncü von Leicester City: „Wir haben einen engen Match- und Trainingsplan und sehen uns daher nicht sehr oft. Aber wir telefonieren fast tagtäglich. Eigentlich wohnen wir auch nicht so weit weg. Die Strecke zwischen Liverpool und Leicester dauert knapp zwei Stunden. Er ist ein sehr junger Spieler, der hungrig darauf ist, sich stets weiterzuentwickeln. Bei Altinordu hat er eine gute Basis entwickeln können, die er bei Freiburg ausgebaut hat. Bei Leicester hat er es im ersten Jahr nicht leicht gehabt. Hier muss ich aber auf die Bedeutung eines Trainers aufmerksam machen. Sein Trainer hat ihm nach dem Verkauf von Harry Maguire vertraut und ihn zu Einsatzzeiten kommen lassen. Caglar ist zurzeit einer der besten Innenverteidiger der Premier League. Ihn erwartet eine großartige Zukunft. Ich hoffe, dass er sich stets weiterentwickelt und mit seiner Performance bei Leicester noch viel größeres erreicht.“