Während die Fans sich in den sozialen Netzwerken nach der Trennung von ihrem Liebling in Posts und Tweets zahlreich verabschiedet hatten, warteten sie vergeblich auf ein Statement von Sergen Yalcin. Lange war es still um den Meistermacher von Besiktas. Am Dienstagabend brach Yalcin in der TV-Sendung „Az Önce Konustum“ (zu Deutsch: „Ich habe gerade eben mit Ihm gesprochen“) auf „TV100“, die vom Journalisten Candas Tolga Isik moderiert wird, sein Schweigen und antwortete mehr als offen und ehrlich auf die große Anzahl an Fragen. Yalcin begann mit den Worten: „Eine Erklärung in diesem Moment abzugeben, wie es alle erwarteten, wäre lediglich gewesen, dem Verein in die Quere zu kommen. Das ist nicht nötig. Gibt es einen Manager auf der Welt, der überall erfolgreich ist? Aber wir sind als Land sehr emotional, wir sind von diesen Dingen äußerst betroffen. Wir übertreiben alles.“
„Hätte nicht unterschreiben dürfen“
Die wohl bemerkenswerteste Aussage im Laufe des Abends war die, dass er nach dem Ende der Meistersaison nicht hätte unterschreiben dürfen. Wieso er es dennoch getan hat, versuchte Yalcin mit folgenden Worten zu erklären: „Nach dem Saisonfinale haben wir bis zur Unterzeichnung nichts geplant. Wir haben keine Gespräche geführt. Wir sind gekommen, haben unterschrieben und mit dem Training begonnen. Es ist unwahrscheinlich, dass man in einem Jahr erfolgreich sein wird, wenn man ohne einen entsprechenden Plan loslegt. Ich hatte der Vereinsführung gesagt, dass ich nicht unterschreiben werde, aber ich habe es am Ende doch getan. Es war meine Schuld, aber es kamen 5.000 Menschen an meine Haustür. Der Präsident und ich haben ein gutes Verhältnis zueinander, es gibt keine Probleme zwischen uns. Ich habe auch Orte verlassen, an denen ich sehr erfolgreich war. Freundschaft ist eine Sache, Geschäft ist eine Sache. Wir können uns geschäftlich trennen, das ist ganz normal. Dies sollte unser Privatleben nicht beeinträchtigen.“
„Will damit niemanden kritisieren, aber Trabzonspor und Fenerbahce…“
Einer der Gründe, die zum Abschied führten, war die UEFA Champions League, die wohl eine Nummer zu groß für ihn und sein Team gewesen ist. Diese Phase ließ der 49-jährige Übungsleiter Revue passieren und erklärte die Gründe für das Scheitern. „Bei der Auslosung der Champions League habe ich versucht zu erklären, dass unsere Gruppe sehr schwierig ist, dass die Mannschaften in der Gruppe die Stammgäste der Champions League sind, dass wir eine schwierige Auslosung bekommen haben. Ich will damit niemanden kritisieren, aber Trabzonspor hat gegen Kopenhagen gespielt und ist gescheitert. Fenerbahce spielte gegen Dynamo Kiew und scheiterte. Die Mannschaften, gegen die wir spielten, sind zehn Klassen über diesen Teams gewesen.“
Wieso die Champions League eine Nummer zu groß für türkische Teams ist
Yalcin weiter: „Nach dem Dortmund-Spiel hatten wir 13 Verletzungen. Am Wochenende haben wir ein Ligaspiel bestritten, ich glaube gegen Malatyaspor, es war ein angenehmes Spiel, wir haben 3:0 gewonnen. Wenn man sich das Tempo dieses Spiels ansieht und die Zeit, in der der Ball im Spiel war. Und dann spielt man drei Tage später gegen Dortmund. Wenn man sich das Tempo dieses Spiels und die Zeit, in der der Ball im Spiel war, ansieht, ist es nicht dasselbe. Mindestens 20 Minuten mehr. Die Schiedsrichter pfeifen nicht ab. Dies erhöht das Tempo des Spiels. Da die Mannschaft nicht an dieses Tempo gewöhnt ist, kommt es nach drei Tagen eben zu jenen Verletzungen. Das hat nichts mit Fitness oder Training zu tun.“
„Mein größter Fehler…“
Das Thema „Königsklasse“ beendete der gebürtige Istanbuler mit den Worten: „Mein größter Fehler in der Champions League war, dass ich, weil ich der Mannschaft vertraut habe, sie auf Augenhöhe versucht habe spielen zu lassen. Ich habe gesagt, auch wenn es Dortmund ist, wir spielen auch mit. Das war mein größter Fehler. Ich hätte auch anders spielen können. Wir haben vorne gepresst. Dortmund hat aber mit dem ersten Angriff in der 37. Minute das Tor gemacht. Ich hätte auf Konter spielen sollen. Das ist das Einfachste, was man tun kann. Wir haben das jahrelang bei den Anadolu-Teams gemacht.“
Yalcin bettelte um den Transfer von Hulk – vergeblich
„Ich sehe es nicht als Erfolg an, dass Besiktas Meister geworden ist. Der Kader ist überhaupt nicht wichtig. Eine große Mannschaft zum Champion zu machen, ist kein großer Erfolg. Sie beginnen die Saison bereits mit 25 Prozent Vorteilen. Wenn man heute bei einer Anadolu-Mannschaft anfängt, hat man keine solche Chance. Das Wichtigste ist, wie man Meister geworden ist, wie man die Finanzen genutzt hat, wie sehr man den Verein geschützt hat, wie man junge Spieler hervorgebracht hat. Das alles ist wichtig. Das ist mein Erfolg. Wir haben keinen einzigen Spieler per Ablöse geholt. Sondern entweder ausgeliehen oder ablösefrei an Land gezogen. Nach der Hinrunde bettelte ich um den Transfer von Hulk. Obwohl er ablösefrei war, haben sie ihn nicht geholt. Mein Erfolg sind junge Spieler. Ich habe das Projekt der jungen Spieler ganz alleine vorbereitet“, so Yalcin im weiteren Verlauf.
„Werde noch viele Trophäen gewinnen“
Des Weiteren stellte er im Laufe der Sendung klar, dass er zwar Angebote nach Besiktas erhalten habe, diese allerdings weder von Besiktas selbst, der Nationalmannschaft, noch Fenerbahce, Galatasaray oder Trabzonspor kamen, wie in den Medien behauptet wurde. „Ich habe vier bis fünf Angebote erhalten. Nicht aber aus der La Liga oder so, sondern ein bis zwei Angebote kamen aus Katar. Wir haben auch ein bis zwei Angebote aus der Türkei erhalten. Wenn ein Projekt kommt, von dem wir glauben, dass wir erfolgreich sein können, wollen wir es annehmen. Wir wollen nicht um des Arbeitens willen arbeiten. Wir müssen sehr wählerisch sein. Aber schreibt das auf: Ich werde noch viele Trophäen gewinnen. Ich, unser Team, wir werden viele Trophäen gewinnen.“
Kuriose Aboubakar-Story von Yalcin
Neben den äußerst bemerkenswerten und klassisch selbstbewussten Aussagen von der lebenden BJK-Legende gab es eine lustige Anekdote. Hierbei ging es um seinen Ex-Spieler Vincent Aboubakar, der in der Double-Saison gleich elf bis zwölf Spiele aufgrund einer Verletzung aussetzen musste, was bereits damals die Gerüchteküche ordentlich brodeln ließ. „Aboubakar war verletzt, sie haben Druck auf ihn ausgeübt, damit er spielt. Er sagte: ‚OK, ich spiele, ich setze mich dem Risiko aus.‘ Wie auch immer, das Spiel begann, er tat nichts, er rannte nicht, er sprintete nicht. Es ist die 44. Minute, es gab eine Szene, in der er sich lautstark schreiend fallen ließ. Ich fragte: ‚Was ist passiert, haben sie von der Tribüne aus auf ihn geschossen oder was?‘ Meine Kreuzbänder sind im Spiel gerissen, da gibt es keine solchen Schmerzen, das kann nicht sein. Es war ohnehin nur noch eine Minute bis zum Ende der Halbzeit. Er hat so ein Schauspiel auf dem Spielfeld verursacht, ich konnte mich kaum halten vor Lachen. Nebenbei filmen uns aber die Kameras und wir dürfen uns nicht blamieren. Es gibt keinen Grund, so sehr zu übertreiben.“