Es gibt da eine kleine Geschichte über Fenerbahçes Neuzugang Ferdi Kadıoğlu, die sein Vater Feyzullah zum Besten gegeben haben soll. Demnach durfte sich Ferdi vor einiger Zeit auch bei der Nachwuchsabteilung des TFF vorstellen. Der Vater gab an, dass der Junge im Verein auf der Zehnerposition spielt. Der Jugendtrainer erwiderte, dass jeder hier in der Türkei sich für einen Spielmacher halte und wollte Ferdi im Defensivbereich einsetzen. Seither spielt der in Arnheim geborene Holland-Türke für die Nachwuchsmannschaften des niederländischen Fußballverbands KNVB. Diese Einstellung, die fatal an die 1980er Jahre des türkischen Fußballs erinnert, scheint es also immer noch an wichtigen Schaltstellen des TFF zu geben. Diesen Nachwuchstrainer sollte man umgehend feuern.
Kadıoğlu ist noch nicht verloren!
Aber immerhin gibt es Hoffnung, denn in Kadıköy beginnt gerade eine kleine Revolution. Die Wahrscheinlichkeit, dass der junge Mann irgendwann für die Elftal auflaufen wird, ist seit dem Wechsel zu Fenerbahçe nämlich gesunken. Die Türkei konnte schließlich auch Oğuzhan Özyakup nach dessen Wechsel zu Beşiktaş für sich begeistern. „Ozzy“ war sogar Kapitän der niederländischen U19 gewesen. Und noch etwas macht Hoffnung darauf, dass Ferdi Kadıoğlu vielleicht doch irgendwann in Rot und Weiß auflaufen wird: Ali Koç!
Neue Besen kehren gut!
Der neue Präsident von Fenerbahçe bringt schon nach wenigen Wochen viel Wind in den unter Aziz Yıldırım in den vergangenen Jahren zunehmend verkrusteten und hasserfüllten Klub – und auch in den türkischen Fußball. Unter Yıldırım wäre ein hoffnungsvolles Talent wie Ferdi Kadıoğlu nicht zu den Gelb-Marineblauen gewechselt. Mit Phillip Cocu hatte Koç aber das Feld für solche Transfers bereitet: Ein Trainer, der tatsächlich mit einem klassischen 4-3-3 auf Offensivfußball setzen will und die Jugend einbinden kann. Unter dem 47-Jährigen ist der Altersdurchschnitt des PSV Eindhoven auf inzwischen 23,1 Jahre gesunken. Dass das zum Erfolg führen kann, hat Cocu mit dem früheren Philipps-Werksklub schon bewiesen. In vier Jahren holte man drei Mal den Titel in der Eredivisie.
Die Talente kommen wieder
Doch die Geschichte, die mit Koç einen guten Anfang nimmt, hat noch mehr zu bieten. Denn mit Berke Özer und Barış Alıcı von Altınordu hatte man schon zuvor zwei der größten Talente der Türkei an sich binden können. Das mag vor zehn Jahren normal gewesen sein, nur wären sie damals auf der Ehrentribüne versauert und hätten ihre Plätze überalterten Ausländern überlassen müssen. Auch deshalb hatten sich hochtalentierte Spieler wie Cengiz Ünder und Çağlar Söyüncü in den vergangenen Jahren den Umweg über die drei türkischen Topvereine gespart und waren direkt in eine Spitzenliga gewechselt. Ein wichtiges Puzzlestück im Plan von Koç ist sicherlich aber auch Sportdirektor Damien Comolli, der eine bemerkenswerte Pressekonferenz gab (GazeteFutbol berichtete) und die türkische Sportpresse offenbar so ernst nimmt, wie sie es verdient. Die bisherigen Transfers nach Kadıköy waren zuvor jedenfalls nicht tagelang im Blätterwald diskutiert worden. Offenbar gibt es keine Maulwürfe mehr in den Spitzenpositionen des Klubs.
Es war nicht alles schlecht
Dieser bemerkenswerte Start spricht für Ali Koç. Und noch etwas ist ein großer Pluspunkt. Das Wenige, was sein Vorgänger gut gemacht hat, bleibt. So wird die Aktion „Hedef 1 milyon üye“ zur Gewinnung von mehr Mitgliedern auf allen Kanälen weitergefahren. Unter Koç hat Fenerbahçe tatsächlich die Chance, auch nur in die Nähe dieses Ziels zu kommen, denn er gewinnt die Herzen der Fans zurück. In den vergangenen Jahren hörte ich von meinen Fenerbahce-Freunden in schöner Regelmäßigkeit diesen einen Satz: Solange Yıldırım Präsident ist, kaufe ich mir kein neues Trikot. Nun aber werden die Shops des 19-fachen türkischen Meisters überrannt. In zwei Tagen hat der Verein 27.635 Jerseys verkauft – ein neuer Rekordwert! Und auch bei den Dauerkartenverkäufen rennt man der Konkurrenz ausnahmsweise mal davon, wie eine Zwischenbilanz im Ligavergleich zeigt (GazeteFutbol berichtete).
Make the Süper Lig great again!
Ali Koç muss diesen Schwung nun mit in die Saison nehmen. Der Einzug des Vizemeisters in die Gruppenphase der Champions League wäre ein perfekter Start. Während Aziz Yıldırım schon nervös wurde, wenn man nicht am ersten Spieltag gleich die Tabellenspitze übernahm, sollte Koç aber die Ruhe bewahren und den medialen Druck einfach ignorieren. Wenn er das schafft und die Fans auch nach Rückschlägen mitziehen, muss man als Nicht-Fener-Fan Angst haben vor diesem Klub. Nun könnte man tatsächlich der Konkurrenz eine Lektion in langfristiger Planung erteilen und die Ära Yıldırım, die auch ihre guten Seiten hatte, hinter sich lassen. Gut ist das übrigens auch für den türkischen Fußball. Denn wann immer einer der „Großen Drei“ mit einem neuen Ansatz Erfolg hatte, eiferten die anderen Klubs dem nach. So war es als Galatasaray zur Jahrtausendwende die Liga nach Belieben dominierte. Fenerbahçe und Beşiktaş mussten nachziehen und taten das auch. Insofern gilt: Wenn Koç Erfolg hat wird auch der türkische Fußball davon profitieren. Er hat es bitter nötig!