In wenigen Tagen schließt der Transfermarkt in den meisten europäischen Ländern. So auch in der Türkei, wo sich die 18 Erstligisten in diesem Sommer bemerkenswert zurückhielten, was Spielerkäufe angeht. Wurden in den vergangenen Jahren noch viele Spieler im fortgeschrittenen Alter mit bekannten Namen verpflichtet und dafür auch durchaus Geld in die Hand genommen, liegen die Transferausgaben aktuell bei gerade mal 36,3 Millionen Euro. Noch vor einem Jahr waren es rund 125 Mio. Euro.
Die Zurückhaltung von Galatasaray, Fenerbahce, Besiktas und Co. hat ihren Grund im Verfall der türkischen Lira. Seit Jahresanfang hat die Währung rund 40 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar und dem Euro verloren. Das wirkt sich in der Türkei derzeit in vielen Lebensbereichen aus und macht auch nicht vor dem Fußball halt. Schlimmer noch erwischt es die türkischen Vereine mitten in einer Phase der wirtschaftlichen Konsolidierung mit besonderer Heftigkeit.
Viele Kredite, die die Klubs in der Vergangenheit aufnahmen, müssen fast ausschließlich in einer der beiden ausländischen Währungen bedient werden. Auf der Einnahmeseite generieren die Vereine dagegen vor allem Lira, etwa beim Ticketverkauf oder Merchandising. Doch je mehr der Kurs der Lira einbricht, umso wertloser sind diese Einnahmen.
Auch die Gehälter der ausländischen Spieler, die oftmals recht üppig ausfallen, wurden in den meisten Fällen in Euro oder Dollar ausgehandelt. Durch den Einbruch der Lira tun sich die Vereine nun schwer, den einstigen Versprechungen nachzukommen. Bei Fenerbahce mussten bereits Gehälter mit Verspätung überwiesen werden. Mit dem Brasilianer Giuliano (28) ließ man zudem seinen Top-Scorer der Vorsaison (14 Tore und fünf Vorlagen in 30 Spielen) nach Saudi-Arabien zu Al-Nasr Riad ziehen. Neben 10,5 Millionen Euro Ablöse spart man damit auch das 3-Millionen-Euro-Gehalt des Spielmachers. Zu Beginn des Jahres waren das noch 13,14 Mio. Lira, heute wären es rund 21 Mio. Lira.
Sein Landsmann Josef (29) folgte am Donnerstag seinem Beispiel und schloss sich Al-Ahli Dschidda ebenfalls einem Verein aus Saudi-Arabien an. Hinter Giuliano war der defensive Mittelfeldspieler zuletzt mit einem Marktwert von 9 Mio. Euro der zweitwertvollste Spieler im Kader von Fenerbahce.
Beim Top-Klub Nummer drei aus Istanbul, Besiktas, drängt man derweil auf einen Abgang des Spaniers Álvaro Negredo. Der 33-jährige Ex-Nationalspieler ist zwar der erfolgreichste Angreifer im Kader, mit einem Gehalt von 4,35 Millionen Euro aber auch der zweitbeste Verdiener der Liga hinter dem Portugiesen und Mannschaftskollegen Pepe (35, 4,75 Mio. Euro). Obwohl der Spieler gerne bleiben würde, soll er nach Meinung der Vereinsoberen unbedingt gehen. Auch hier winkt ein Wechsel in die saudische Liga.
Ein ähnliches Szenario droht beim Stadtrivalen Galatasaray. Der sportliche Wert von Torschützenkönig Bafétimbi Gomis (33, Foto) ist unumstritten, allerdings fordert der 29-fache Torschütze der Vorsaison eine Erhöhung seines Gehalts, das aktuell bei 3,35 Mio. liegt – Euro und eben nicht Lira. Für den türkischen Meister kaum erfüllbar, weshalb ihm Al-Hilal, ebenfalls aus Saudi-Arabien, ein Gehalt von 6 Mio. Euro bieten soll. Gut möglich, dass „Cimbom“ darauf eingehen wird, auch wenn man dem Franzosen bei seiner Verpflichtung mündlich zusicherte, bei guten Leistungen das Gehalt anzupassen.
Update: Der Transfer von Gomis nach Saudi-Arabien ist inzwischen perfekt. Galatasaray erhält 6 Millionen Euro Ablöse.
Ein Umdenken scheint in diesem Fall dennoch nicht ausgeschlossen, schließlich hat Galatasaray im Vergleich zur nationalen Konkurrenz einen klaren finanziellen Vorteil: Durch die Teilnahme an der Champions League kassiert man mindestens 15 Mio. Euro plus geschätzte 22 Mio. Euro TV-Gelder. Wichtig vor allem angesichts der bereits beschriebenen Situation, dass der Großteil der übrigen Einnahmen in Lira fließt.
Dennoch ist man beim Meister keinesfalls mit der aktuellen Situation zufrieden. Nachdem US-Präsident Donald Trump kürzlich die Zölle für Aluminium und Stahl aus der Türkei verdoppelte und so der Währung weiter schadete, schimpfte Vizepräsident Abdurrahim Albayrak im türkischen Fernsehen: „Wegen Trump können wir keine Spieler kaufen.“
Auch beim Schwarzmeer-Klub Trabzonspor reagiert man auf den Verfall der eigenen Währung. Präsident Ahmet Agaoglu kündigte bereits an: „Wir hatten das Personalbudget der Mannschaft von 33 auf 23 Millionen Euro reduziert. Mit der Währungskrise sind die Kosten aber wieder gestiegen, da 80 Prozent unserer Spieler ihre Gehälter in Euro beziehen. Die Währung in der Türkei ist die Lira. Falls Spieler oder Trainer unzufrieden damit sind, können sie in Zukunft in Ländern spielen, in denen in Euro ausbezahlt wird.“
Unter diesen Voraussetzungen ist es nur schwer vorstellbar, dass der türkische Transfermarkt in den verbleibenden Tagen nochmals richtig an Fahrt aufnimmt – zumindest nicht aufseiten der Neuzugänge.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf www.transfermarkt.de
Autor: Christian Schwarz