Mit 28 Jahren will Serdar Dursun den nächsten Schritt machen. Im Transfermarkt-Interview spricht der Angreifer vom SV Darmstadt 98 über Probleme in der Türkei zu Beginn seiner Karriere, seine sportliche Zukunft sowie Chancen in der Nationalmannschaft, eine attraktive Offerte aus China und Beleidigungen der eigenen Fans. Dazu verrät der in Hamburg geborene Profi, was er von einem Engagement beim HSV oder FC St. Pauli halten würde.
Transfermarkt: Herr Dursun, mit elf Treffern waren Sie der torgefährlichste Zweitliga-Spieler der Rückrunde, mit 16 Toren insgesamt auf Platz vier. War das der beste Serdar Dursun oder steckt noch mehr in Ihnen?
Serdar Dursun: Statistisch gesehen war das die beste Saison meiner Profikarriere. Aber natürlich steckt noch mehr in mir. Ich denke, ich weiß langsam, wo das Tor steht. Als Stürmer braucht man ein gewisses Alter, ab 26 Jahren etwa geht es erst so richtig los. Dann ist man erfahrener und cooler vor dem Tor. Das wird von Jahr zu Jahr besser.
Transfermarkt: Hannover, Eskisehirspor, Sanliurfaspor, Denizlispor, Karagümrük und Fürth hießen Ihre Stationen vor Darmstadt. In der Türkei konnten Sie die Erwartungen nach eigenen Angaben nicht erfüllen. Was ist in den vergangenen zwei Jahren mit Ihnen passiert?
Dursun: Ich war damals 19 und ging in die Türkei. Damals kamen einige Probleme zusammen. Innerhalb einer Woche gab es einen Wettskandal und der Trainer, der mich geholt hat, war nicht mehr da. Für junge Spieler war es nicht so einfach, es wurde eher auf erfahrene Stürmer gesetzt und vor mir standen gestandene Spieler. Seit vier Jahren bin ich nun in der 2. Liga in Deutschland. Ich denke, ich werde von Jahr zu Jahr besser, hoffentlich auch in der neuen Saison. Ich lerne dazu und trainiere auch individuell sehr hart.
Transfermarkt: Ihr Ex-Trainer Dimitrios Grammozis sagte zum Abschied bei „Bild“ über Sie: „Wenn ich sehe, wie oft er den Ellenbogen hinten reinbekommt und trotzdem seine Tore erzielt. Das finde ich immer ganz cool. Besonders seinen Blick nach dem Tor zum Gegenspieler: Wolltest Du Dich anlegen mit Serdar Dursun?“ Was sagen Sie dazu?
Dursun: Ich kann damit leben, das sind coole Sätze vom Trainer. Er hat über jeden Spieler etwas gesagt und darüber habe ich wirklich geschmunzelt. Ich mache immer weiter und jammere nicht, wenn ich auch mal einstecken muss.
Darmstadt-Trainer Anfang hat Verständnis für Dursuns Absichten
Transfermarkt: Darmstadts neuer Trainer Markus Anfang erklärte: „Serdar ist fester Bestandteil des Kaders.“ Das sehen Sie womöglich anders, oder?
Dursun: Ich hatte mit dem Trainer ein super Gespräch. Er meinte zu mir: Du bist 28, hast eine gute Saison hinter dir und nur noch ein Jahr Vertrag. Wenn ein konkretes Angebot kommt, können wir darüber reden. Stand jetzt bin ich in Darmstadt. Falls ein konkretes Angebot kommt, werden wir sehen, ob es Sinn macht, zu wechseln.
Transfermarkt: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie im Sommer eine neue Herausforderung annehmen?
Dursun: Im Moment kann ich das nicht sagen. Durch die Coronakrise sind die Vereine sehr vorsichtig. Bisher sieht man ja auch, dass sehr wenige Transfers passiert sind. Das wird wahrscheinlich demnächst erst richtig losgehen. Dann wird sich zeigen, ob ich wechsle oder bleibe. Normalerweise ist es ja so, dass ein Verein einen Spieler verkauft, wenn er nur noch ein Jahr Vertrag hat, damit er nicht ablösefrei geht.
Transfermarkt: Bei „beIN SPORTS“ sagten Sie jüngst, dass Gespräche mit Teams aus Deutschland und der Türkei laufen und auch aus China ein interessantes Angebot eingetroffen ist.
Dursun: Ja, ich habe ein Angebot aus China erhalten. Der Klub wollte auch eine bestimmte Ablöse zahlen und hat erstmal nur mich und nicht Darmstadt kontaktiert. Das war finanziell gesehen ein super Angebot über drei Jahre. Aber ich dachte mir: Gib jetzt weiter Gas, vielleicht kommst du irgendwann in die Bundesliga. Im nächsten Jahr ist die EM, das ist mein großes Ziel. Daher steht für mich das Sportliche und nicht das Finanzielle im Vordergrund.
Transfermarkt: Also ist China für Sie definitiv keine Option?
Dursun: Im Moment nicht. Aber man weiß ja nicht, was die Zukunft bringt. Viele Leute haben mich gefragt: Warum machst du das nicht? Aber für mich muss ein Wechsel jetzt sportlich Sinn machen, und deshalb kann ich das im Moment nicht machen.
Transfermarkt: Wo sehen Sie Ihre sportliche Zukunft denn: In Deutschland, der Türkei oder ganz woanders?
Dursun: Das kann ich schwer beurteilen. Ich fühle mich in beiden Ländern wohl. Ich bin offen für alles. Man muss gucken, was sportlich am besten passt. Mein großes Ziel ist die Bundesliga. Und wenn ich irgendwann in der Bundesliga spielen darf, glaube ich, dass ich dort bestehen kann.
Transfermarkt: Neben Ihrem Ex-Arbeitgeber Hannover 96 wurde Union Berlin als möglicher Abnehmer für Sie gehandelt. Was halten Sie von dem Klub?
Dursun: Ich kann generell folgendes zu dem Verein sagen: Union Berlin ist ein sehr schöner und richtig geiler Verein. Ich habe mehrmals in den vergangenen Jahren in dem Stadion gespielt – komischerweise habe ich immer gegen sie getroffen. Ich mag den Klub, er hat super Fans. Union hat im letzten Jahr mit dem Klassenerhalt große Arbeit geleistet.
Dursun offen für Angebote vom HSV und von St. Pauli
Transfermarkt: Sie sind gebürtiger Hamburger, haben seit Ihrer Jugend aber nicht mehr in der Hansestadt gespielt, waren nie für den HSV oder St. Pauli aktiv. Wird das in Zukunft nochmal passieren?
Dursun: Es wurde und wird immer mal wieder darüber geredet. Bei meinem Berater wurde häufiger mal angefragt, konkret wurde es aber bisher nicht. Ich bin in Hamburg geboren, und man weiß nicht, was die Zukunft bringt. Falls irgendwann einmal Angebot kommt, würde ich mich freuen.
Transfermarkt: Rechnen Sie mit einer schnellen Entscheidung hinsichtlich Ihrer Zukunft?
Dursun: Wenn man auf den Markt aktuell schaut, wird sich das wohl noch etwas hinziehen.
Transfermarkt: Wie hoch sind Ihre Chancen, es in die türkische Nationalmannschaft zu schaffen?
Dursun: Es ist auf jeden Fall realistisch. Die Türkei kann aktuell auf drei sehr gute Stürmer zurückgreifen: Burak Yilmaz, Cenk Tosun und Enes Ünal. Ab der Nummer vier ist aber alles offen, ich bin einer der Kandidaten. Durch meine Statistiken und Leistungen hätte ich es verdient, dabei zu sein, denke ich. Ich weiß, dass ich in der 2. Liga spiele, ich muss weiter Gas geben – und dann schauen wir weiter.
ransfermarkt: Während der Coronakrise gab es von den Rängen keinerlei Stimmung oder Unruhe, die Fans mussten draußen bleiben. Haben Sie das sogar zu Ihrem Vorteil ausgenutzt?
Dursun: Die ersten zwei Spiele nach der Coronapause war es wirklich sehr schwierig, man musste sich erstmal an die Geisterspiele gewöhnen. Ich hatte in meiner Karriere davon schon ein paar, in Deutschland aber noch nicht. Ich hoffe, dass in der neuen Saison wieder einige Zuschauer dabei sein werden.
Transfermarkt: Im November verschossen Sie beim 2:2 gegen Regensburg einen Elfmeter, einige Fans bedachten Sie mit Pfiffen und forderten sogar „Dursun raus“ – ein Streit unter den Anhängern entbrannte. Sie schossen danach noch zwei Tore. Sind Sie wirklich so lässig oder beschäftigt Sie so etwas intensiv?
Dursun: Solch eine Situation, dass mich die eigenen Fans ausgepfiffen haben, habe ich zum ersten Mal erlebt. Das fand ich echt nicht okay. Nach meinen beiden Toren wurde ich vom Buhmann dann plötzlich zum Helden. Ich habe den Fehler wieder gutgemacht, und ich bin nicht der einzige, der jemals einen Elfmeter verschossen hat. Es war dann ein bisschen so, als würde man sein ganzes Geld verlieren und mit dem letzten Zug alles zurückgewinnen. Das war für mich alles sehr berührend.
Interview: Philipp Marquardt (PhilippMrq)
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf www.transfermarkt.de