„Die Türken machen das Unmögliche immer wieder möglich“, oder „Es ist erst vorbei, wenn wir es sagen“, könnten keine geeigneteren Überschriften für diese dramatischen Schlussminuten in Lettland sein. Nach einem 0:1-Rückstand in der 70. Minute erkämpfte sich die türkische Nationalmannschaft trotz einer zunächst sehr schwachen Vorstellung in Riga einen 2:1-Sieg im achten Qualifikationsspiel für die WM 2022 in Katar. Ein Last-Minute-Elfer sollte am Ende den so wichtigen Dreier nach über 97 Jahren gegen Angstgegner Lettland bringen. Wie wichtig der Sieg war und welche Bedeutung dieser für die Türkei hat, konnte man aus dem Gesicht von Stefan Kuntz ablesen. Der „deutscheste Türke“ beziehungsweise „türkischste Deutsche“ ließ nach Abpfiff der Begegnung seinen Emotionen freien Lauf und konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Somit wahrt die türkische Auswahl ihre WM-Chance. Nun müssen die letzten beiden Partien in der Gruppe G gegen Gibraltar und Montenegro gewonnen werden. Zudem muss Norwegen noch mindestens einmal patzen.
Zwei Veränderungen – Berat Özdemir überzeugt
Nach dem enttäuschenden 1:1-Remis im Ülker-Stadion gegen Norwegen setzte Kuntz auf zwei Veränderungen. Während Caglar Söyüncü den verletzten Serdar Aziz ersetzte, durfte Orkun Kökcü für Ozan Tufan von Beginn an ran. Diese Wechsel sollten allerdings im Nachhinein keine wirklichen Früchte tragen. In der siebten Minute klärte Merih Demiral mit der Brust nach einem Eckball des Gastgebers auf der Linie und verhinderte so einen frühen Rückstand. Zehn Minuten später wurden zum ersten Mal die türkischen Gäste gefährlich. Erst kamen Cengiz Ünder und Burak Yilmaz mit ihren Abschlüssen an der gegnerischen Abwehr nicht durch, ehe Demiral nach einem Eckstoß am langen Pfosten aus kurzer Distanz zu überrascht und unerwartet zum „Abschluss“ kam. Zum ersten Mal gefordert war Roberts Ozols im Kasten der Hausherren erst nach 25 Minuten durch einen Weitschuss von Kerem Aktürkoglu. Vier Minuten später probierte auf dem anderen Flügel Ünder sein Glück und fand kein Vorbeikommen an Ozols. Viel zu ideenlos und unsicher wirkte die türkische Truppe in den ersten 45 Minuten. Hervorheben konnte man höchstens die solide Leistung von Berat Özdemir und die Bemühungen von Ünder.
Cakir verhindert frühen Gegentreffer
Der 58-jährige deutsche Übungsleiter verzichtete trotz dem ernüchternden torlosen Halbzeitstand zunächst auf Veränderungen im zweiten Durchgang. Fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff lief die türkische Auswahl wie schon in der ersten Hälfte in Gefahr eines frühen Rückstands. Die Letten hatten mit einem langen Ball in die Tiefe die türkische Abwehr überwunden, aber Goalie Ugurcan Cakir antizipierte gut und unterband den Angriff, in dem er rechtzeitig herauslief. Erneut hatte der WM-Dritte von 2002 mit erheblichen Ballverlusten zu kämpfen, so dass sie nicht wirklich ihr Spiel aufziehen konnten. 25 Minuten vor dem Ende reagierte Chefcoach Kuntz und brachte Serdar Dursun und Ridvan Yilmaz für die glücklosen Orkun Kökcü und Caner Erkin.
Demiral mit Eigentor – Joker Dursun lässt hoffen
Somit feierte Dursun, der Noch-Torschützenkönig der 2. Bundesliga, mit 29 Jahren seine Premiere im rot-weißen Dress. Dies sollte an jenem Abend aber nicht seine einzige Premiere bleiben. Doch bevor diese Wechsel überhaupt Wirkung zeigen konnten, kassierte man in der 70. Minute den 0:1-Rückstand. Nach einer Hereingabe über den rechten lettischen Flügel bugsierte Demiral ungewollt die Kugel über die Linie. Fünf Minuten brauchten die Türken, um sich zu sammeln. Ünder flankte auf den eingewechselten Dursun, der mit einem Kopfball den Ball im Netz zappeln ließ. Damit gelang dem Angreifer direkt in seinem ersten Länderspiel auch sein erster Treffer. Die wohl beste Chance zur Führung hatte Ünder auf seinem Fuß, aber Torwart Ozols reagierte mit einer Glanzparade.
Drama in Riga: Jubel nach Last-Minute-Elfer durch Yilmaz
Die Nachspielzeit sollte es noch einmal in sich haben. Die türkische Nationalmannschaft hatte Chancen über Chancen verpasst. Als man sich schon über den unnötigen Punktverlust ärgern wollte, schlug die Stunde von Burak Yilmaz. Der Lille-Stürmer wurde im Sechzehner ungeschickt zu Fall gebracht und Referee Andreas Ekberg zeigte nach Begutachtung per VAR auf den Punkt. Der Kapitän übernahm die Verantwortung und verwandelte in der neunten Minute der Nachspielzeit eiskalt und stellte die Partie auf den Kopf.
Aufstellungen
Lettland: Ozols – Jurkovskis, Dubra, Cernomordijs, Savalnieks – Emsis, Zjuzins (60. Tarasovs), Ciganiks, Uldrikis (60. Kigurs), Jaunzems (73. Ontuzans) – Gutkovskis (81. Krollis)
Türkei: Cakir – Erkin (65. Yilmaz), Söyüncü, Demiral, Celik – Özdemir, Aktürkoglu (74. Dervisoglu), Calhanoglu, Kökcü (65. Dursun), Ünder – Yilmaz
Tore: 0:1 Demiral (70./ET), 1:1 Dursun (75.), 1:2 Yilmaz (90+9/FE)
Gelbe Karten: Jaunzems, Ciganiks, Tarasovs, Ozols (Lettland) – Yilmaz (Türkei)
3 Kommentare
Ich habe mir gestern nur die erste Halbzeit angeschaut und mehr wollte ich mir nicht geben. Heute morgen habe ich dann das Endergebnis gesehen und musste echt staunen. Lettland hat einen Gesamtmarktwert von noch nicht mal 1 Mio Euro, da hat selbst Ridvan Yilmaz einen höheren Marktwert alleine.
Natürlich braucht der Stefan Kuntz noch Zeit, mir geht das aber richtig auf den Sack, dass gewisse Spieler bei ihren Vereinen gute Leistungen zeigen, aber dann bei der Nati nicht mal richtig stehen können. Hier meine ich explizit einen Hakan Calhanoglu und Zeki Celik.
Für die nächsten Spiele schaue ich auf gewisse Spieler genauer und wenn die Leistungen nicht stimmen, will ich diese dann auch nicht bei der Nati sehen. Gerade ein Yusuf Yazici hat hier nichts zu suchen der aus aussichtsloser Situation gegen Norwegen einfach 2 Schüsse abgibt und meilenweit daneben schießt.
Altay > Ugurcan
Müldür > Zeki
Ridvan > Caner
Berat > Taylan
Halil + Dursun > Burak
Cengiz + Kerem = Goat
Berat fand ich gestern gar nicht gut. Er hat viel zu oft unnötig Bälle verloren und seine Pässe kommen in Schussstärke, die oft nicht angenommen werden können.
Ich sage nicht, dass Taylan besser ist, aber garantiert nicht schlechter. Beide sind für mein Empfinden nicht gut.
Bei den restlichen stimme ich dir zu.