Halis Yen (32) sucht als Scout vom 16-maligen belgischen Meister FC Brügge mit viel Eifer nach den großen Talenten der Zukunft. Im Exklusivinterview mit GazeteFutbol gewährt Yen tiefgründige Einblicke in die Scoutingwelt, nennt die Schwachstellen des türkischen Fußballs und spricht auch darüber, für welchen Verein er in der Türkei am liebsten arbeiten würde.
GazeteFutbol: Herr Yen, wir wissen bereits, dass Sie in der Scouting-Abteilung vom FC Brügge tätig sind. Können Sie sich kurz vorstellen? Wer ist Halis Yen? Wo kommt er her? Wie hat er den Fußball kennengelernt?
Halis Yen: Ich heiße Halis Yen, bin 32 Jahre alt und lebe in Genk. Ursprünglich komme ich aus Aksaray. Mit dem Fußball habe ich auf den Straßen angefangen. Danach meldete mich mein Vater bei AC Kolderbos an. Anschließend nahm ich an den Sichtungsterminen vom KRC Genk teil. Wir waren kurz davor ein Testspiel gegen die Tottenham Hotspur zu bestreiten. Allerdings musste ich aufgrund einer Knieverletzung passen. Es folgten Stationen bei Turkse Rangers, Bregel Sport und Patro Eisden Maasmechelen. 2010 beendete ich den aktiven Fußball aufgrund von Verletzungen und schulischen Verpflichtungen.
GazeteFutbol: Ein Jobeinstieg bei Brügge als Scout ist wahrscheinlich nicht leicht. Wie verlief Ihr Bewerbungsprozess?
Halis Yen: Ehrlich gesagt war es ein sehr verrückter, aber besonderer Prozess. Ich hatte meine Scouting-Zertifizierung erst vor einer kurzen Zeit absolviert und übernahm die U8 von Sporting Hasselt. Ich sah auf Facebook eine Anzeige darüber, dass Brügge landesweit nach Scouts sucht. Ich versuchte mein Glück und schickte eine Bewerbung. Nach zwei Wochen erhielt ich eine Mail für ein Vorstellungsgespräch. 30 andere Kandidaten waren mit dabei. Unsere Aufgabe war es im U14-Spiel zwischen Brügge und Genk die besten Spieler ausfindig zu machen. Ich gab mein Bestes. Einige Wochen später trudelte dann die Zusage ein. So startete mein Brügge-Abenteuer.
GazeteFutbol: Welche Zertifikate und Schulungen sind in Belgien erforderlich, damit man bei den großen Teams des Landes anheuern kann?
Halis Yen: Sofern du ein wenig Ahnung von Fußball hast und die vorgelegten Schulungen des belgischen Fußballverbandes besuchst, findest du in den meisten Vereinen einen Job. Selbst wenn nicht, darfst du Praktika absolvieren und dich weiterentwickeln. Da sich der Fußball ständig weiterentwickelt und wandelt, versuche ich mit der Zeit zu gehen. Ich verfüge über das Scoutingzertifikat des belgischen Fußballverbands, das Ajax-Scouting-Zertifikat, das PSV-Scouting-Zertifikat, den First Team Scouting IPSO, den PFSA Level 1 Talent Identification in Football und den Foundations & Fundamentals of Scouting IPSO.
GazeteFutbol: Was sind Ihrer Meinung nach die Grundregeln für den Aufbau eines erfolgreichen Scouting-Teams?
Halis Yen: Wichtig ist, dass man qualifizierte Mitarbeiter hat und alle an einem Strang ziehen. Man muss nämlich tagtäglich nach neuen Spielern suchen.
GazeteFutbol: Wer hat Ihrer Meinung nach die erfolgreichste Scouting-Abteilung in Europa?
Halis Yen: Ich finde, dass Ajax und Sevilla in diesem Bereich den Weltfußball anführen. Allein Ajax hat 123 Scoutingteams. Das ist gigantisch.
GazeteFutbol: Wie viele Leute arbeiten in der Scouting-Abteilung von Brügge? Wie verläuft Ihre tägliche Arbeit?
Halis Yen: In unserer Scoutingabteilung arbeiten rund 30 Scouts. Die Arbeitszeiten sind variabel. Mal schauen wir uns an einem Tag drei Spiele an, mal erstellen wir den ganzen Tag für einen einzigen Spieler verschiedene Berichte.
GazeteFutbol: Wie wird Technologie bei Scouting-Problemen eingesetzt? Stimmt es auch, dass einige Vereine Football Manager verwenden, um Spieler ausfindig zu machen?
Halis Yen: Wir haben mit der Zeit unser eigenes System entwickelt. Dort fügen wir Dokumente ein. Zusätzlich bedienen wir uns dem SOCCERLAB und HUDL. Viele andere Teams verwenden ebenfalls diese Tools. Mit dem Football Manager arbeiten wir nicht (lacht).
GazeteFutbol: Auf welche Kriterien achten Sie beim Transfer eines Fußballspielers?
Halis Yen: In Summe gibt es unheimlich viele Kriterien, auf die wir Wert legen. Neben den gängigen Eigenschaften wie Charakter, Persönlichkeit, Koordination, Geschwindigkeit, Laufwege, Passquote und der Abschlussstärke werfen wir ein Auge auf die Körpergröße der Eltern oder auch darauf, ob der Spieler am Anfang oder Ende eines Jahres geboren ist.
GazeteFutbol: Schauen Sie sich auch junge Spieler in der Türkei an?
Halis Yen: Wir schauen uns überall Spieler an. Allerdings fokussieren wir uns darauf, dass wir mehrheitlich im Binnenland sichten und so viele belgische Spieler wie möglich in die erste Mannschaft integrieren.
GazeteFutbol: Wie sind die Ansichten über den türkischen Fußball in Belgien?
Halis Yen: Ehrlich gesagt finde ich nicht, dass man sich in Belgien für den türkischen Fußball groß interessiert. Abgesehen von den vier großen Teams kennt man keinen nennenswerten Klub.
GazeteFutbol: Wie beurteilen Sie die Transfers von jungen Spielern wie Berke Özer, Baris Alici und Recep Gül zu KVC Westerlo?
Halis Yen: Meiner Meinung nach ist das definitiv der richtige Schritt. Meistens werden in der Türkei junge Akteure in die zweite oder dritte Liga ausgeliehen. Da der kurzfristige Erfolg das oberste Gebot ist, kommen solche Talente in diesen Vereinen oft nie zum Einsatz. Ein neues Land und eine neue Kultur erweitert den Horizont von jungen Kickern.
GazeteFutbol: Was sind Ihrer Meinung nach die Stärken und Schwächen des türkischen Fußballs?
Halis Yen: Eine Schwäche ist sicherlich die Vetternwirtschaft in allen Bereichen des Sports. Qualifizierte Leute, die sich mit den Fußballthemen beschäftigen, bekommen selten eine Chance. Als Stärke kann man sicherlich den Fußballerexport ins Ausland nennen. Ich hoffe, dass sich dies fortsetzt.
GazeteFutbol: Kommen wir zu der klassischen Frage. Bei welchem Team in der Türkei würden Sie irgendwann arbeiten wollen?
Halis Yen: Einer meiner Träume ist, für Galatasaray tätig zu sein. Zudem könnte ich mir auch ein Amt bei der Nationalmannschaft vorstellen. Allerdings möchte ich mich nicht fix auf irgendetwas festlegen. Sofern es ein Angebot gibt, würde ich das Ganze bewerten. Aktuell versuche ich mich ständig weiterzuentwickeln.
GazeteFutbol: Welchen jungen und bislang unbekannten Spielern in Belgien trauen Sie einen großen Sprung zu?
Halis Yen: Yunus Bahadar (KRC Genk U21), Amine et Taibi (KRC Genk), Jeremy Doku (RSC Anderlecht) und Cihan Canak (Standard Lüttich). Es gibt in Belgien momentan aus meiner Sicht 20 junge Kicker, die einen Namen von sich machen können.
GazeteFutbol: Herr Yen, wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren Karriereweg viel Erfolg!
Das Interview mit Halis Yen führte Hüseyin Yilmaz. Ursprüngliche Veröffentlichung des Artikels war April 2020.
Ein Kommentar
Naja entweder ist das Interview um einiges älter oder der Herr Yen hat als einen der teuersten Transfers vom RSC verpasst. Doku ist zu Stade Rennes gewechselt.
Interessant ist auf jeden Fall sein Werdegang wünsche noch viel Erfolg.