Mit den Worten „Ständig klären wir den Ball, der Gegner nimmt ihn auf und startet einen neuen Angriff. Es sollte nicht so schwer sein, sich mit direkten Pässen aus der Defensive zu befreien“, leitete Trabzonspor-Klubchef Ahmet Agaoglu nach dem 1:0-Auswärtssieg bei Ittifak Holding Konyaspor die Trennung von Ex-Trainer Ünal Karaman ein. Nach dem letzten Hinrundenspiel gegen HES Kablo Kayserispor, das 6:2 gewonnen wurde, löste der Klub „im gegenseitigen Einvernehmen“ den Vertrag von Karaman auf. Zu diesem Zeitpunkt stand Trabzonspor mit 32 Punkten auf dem dritten Tabellenplatz und hatte fünf Punkte Rückstand auf den Herbstmeister Demir Grup Sivasspor. Die Bordeauxrot-Blauen mischten nach zehn Jahren trotz begrenzter finanzieller Möglichkeiten wieder um die Meisterschaft mit. Spätestens nach der Niederlage am Montag gegen Yukatel Denizlispor (1:2) scheint diese Chance verspielt.
Der Wendepunkt: Hüseyin Cimsir wird als Nachfolger benannt
Hüseyin Cimsir, der kurz nach der Trennung von Karaman als dessen Nachfolger benannt wurde, war bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich als Co-Trainer aktiv. Zuvor mit Mustafa Resit Akcay bei Osmanlispor und seit zwei Saisons mit Karaman bei Trabzonspor. In seinem ersten Job als Trainer erwartete den ehemaligen Trabzonspor-Kapitän eine große Aufgabe. Er sollte den langersehnten Meisterschaftstitel an die Schwarzmeerküste holen. Cimsir legte einen guten Start hin und blieb ohne Niederlage. Fenerbahce wurde erst aus dem Meisterschaftskampf gekegelt, anschließend aus dem türkischen Pokal. Doch wirklich glücklich war so gut wie niemand. Ein Unterschied zur Spielweise unter Ex-Trainer Karaman war kaum erkennbar.
Ugurcan Cakir und Alexander Sörloth vertuschen die Schwächen
Die Trabzonspor-Fans waren nicht mehr zu halten. Alle träumten vom langersehnten Titel. Auch wenn die Teamleistung nicht die Beste war, stimmten zumindest die Ergebnisse. Eine ehrliche Analyse zeigt jedoch auf, dass zwei Spieler nicht nur die Titelambitionen, sondern auch das Ansehen des Trainers aufrechterhalten haben. Nationaltorhüter Ugurcan Cakir trat öfter denn je mit seinen Paraden zum Vorschein. Gegen Teams wie Besiktas (2:2) oder Fenerbahce (2:1) verhinderte der 24-Jährige Schlimmeres. Auf der anderen Seite des Feldes war es Goalgetter Alexander Sörloth, der durch seine enorme Treffsicherheit seinem Team viele Punkte sicherte. Mit 21 Treffern steht der Norweger auf Platz zwei der Torschützenliste in der Süper Lig. Beide Spieler waren mitverantwortlich dafür, dass die Schwächen im Spiel der Bordeauxrot-Blauen nicht angesprochen wurden. Die Trabzon-Fans erinnern sich wahrscheinlich nur an sehr wenige Spiele, die sie ohne Schweißausbrüche zu Ende schauen konnten.
Leistung auf dem Platz spiegelt sich in den Ergebnissen wider
Cakir und Sörloth können die Mannschaft allerdings nicht durchgehend retten. Nach den Verletzungen von Anthony Nwakaeme, Jose Sosa und Caleb Ekuban geriet auch der großgewachsene Stürmer ins Stocken. Die katastrophalen Leistungen in der Abwehr machten Torhüter Cakir sehr zu schaffen. Der 24-Jährige behielt in der Rückrunde lediglich zwei Mal eine weiße Weste. Die Leistung und die Spielweise der Mannschaft hatte sich seit dem Abgang von Ex-Coach Karaman nicht verbessert. Die Leidenschaft und der Teamgeist hat sich im Vergleich dazu jedoch verschlechtert. Karaman war zwar kein taktisch versierter Trainer, doch er wusste die Mannschaft zusammenzuhalten und schaffte es, das Beste aus den Spielern herauszuholen. Als eher zurückhaltende Person hat Cimsir in dieser Hinsicht auf ganzer Linie versagt. Leistungsträger wie Kapitän Jose Sosa, Nwakaeme oder Abdülkadir Ömür rufen insbesondere in der kritischen Phase der Saison keine Bestleistungen mehr ab und wirken auf dem Platz lustlos.
Cimsir und Agaoglu entziehen sich der Verantwortung
Das peinliche 1:1-Remis im heimischen Medical Park-Stadion gegen Tabellenschlusslicht MKE Ankaragücü war für Trabzonspor ein herber Rückschlag im Titelkampf. Cimsir begnügte sich mit der Aussage: „Ich möchte das heutige Spiel nicht kommentieren.“ Bereits diese Aussage zeugt von Inkompetenz und Ängstlichkeit, durch die das Vertrauen der Mannschaft in den ehemaligen Trabzonspor-Kapitän leidet. Nach gewonnenen Spielen ist es keine Kunst mit zwei schönen Sätzen den Fans zu schmeicheln. Ein wahrer Anführer muss sich in schwierigen Zeiten vor die Mannschaft stellen und Verantwortung übernehmen können. Dies geschah schließlich nach der erneut peinlichen Vorstellung gegen Yukatel Denizlispor, doch viel zu spät. Vereinsboss Agaoglu verkündete bereits zuvor, bis zum Saisonende keine Aussagen mehr tätigen zu wollen. Als die Mannschaft einen Sieg nach dem anderen holte, scheute sich der 63-Jährige nicht davor, sich zu gefühlt jedem Thema zu äußern. In diesen schwierigen Zeiten prasselt Kritik auf die Mannschaft ein und die Verantwortlichen schauen tatenlos zu.
Innenverteidigung trotz Verstärkung im Winter zweitklassig
Seit Beginn der Saison hat Trabzonspor mit der Innenverteidigung zu kämpfen. Die Verpflichtungen von Ivanildo Fernandes (im Winter zu Caykur Rizespor gewechselt) und Gaston Campi zahlten sich nicht aus. Majid Hosseini und Hüseyin Türkmen, der von Woche zu Woche schwächer wurde und sich immer schwerwiegendere Fehler leistete, standen in der Startelf. Zum Ende der Hinrunde verdrängte Campi den schwächelnden Türkmen und spielte sich in der Startelf fest. Im Winter verpflichtete Trabzonspor mit Manoel Messias und Manuel da Costa zwei erfahrene Innenverteidiger, die das Abwehrproblem lösen sollten. Messias kam bis dato lediglich im Pokalspiel gegen Büyüksehir Belediye Erzurumspor 90 Minuten zum Einsatz. Da Costa bildete abwechselnd mit Campi und Türkmen das Innenverteidiger-Duo. In den letzten zehn Partien spielte Cimsir acht Mal mit unterschiedlichen Innenverteidigern. Das lässt nicht auf eine durchdachte und organisierte Arbeitsweise hindeuten. Der 41-Jährige gab Türkmen, der bei jedem Einsatz mehrmals unter Beweis stellte, dass er nicht ansatzweise Süper Lig-Niveau hat, dennoch immer wieder Chancen. Der 22-Jährige fiel nicht nur durch sein mangelhaftes Stellungsspiel und schwaches Zweikampfverhalten auf, sondern auch durch eine nicht vorhandene Übersicht beim Spielaufbau.
Fazit: Agaoglu pokert und verliert – Cimsir verpasst die Riesenchance
Agaoglu hat im Winter hoch gepokert und auf dem Weg zur Meisterschaft einem Coach die Aufgabe übertragen, der zum ersten Mal überhaupt die Position des Cheftrainers bekleiden sollte. Der 63-Jährige war nach anderthalb erfolgreichen Jahren mit Karaman wohl davon überzeugt, dass der Erfolg durch seine Arbeit zustande kam und die Mannschaft keinen erfahrenen Trainer benötigt. Daher stellte er den Co-Trainer des Übungsleiters ein, mit dessen Spielweise und taktischer Einstellung er unzufrieden war. Die darauffolgenden sechs bis sieben Monate machten jeden sportlichen Erfolg und die Mühe der vergangenen anderthalb Jahre zunichte. Auslaufende Verträge mit Leistungsträgern sowie Unruhen zwischen dem Trainer und der Mannschaft werden nach der Saison wohl für einige Abgänge sorgen. Für Cimsir war es die Chance, einen Einstand nach Maß in seiner Trainerlaufbahn zu feiern. Auch wenn der 41-Jährige bisher lediglich eine Niederlage hinnehmen musste, überzeugt sein taktisches Niveau den neutralen Zuschauer nicht. Die vom Vorstand ausgehende fehlerhafte Trainerwahl, verbunden mit der fehlenden Kompetenz von Cimsir als Cheftrainer, bescheren der Süper Lig aller Voraussicht nach mit Medipol Basaksehir einen neuen Meister. Den größten Schaden tragen mal wieder die Fans davon, die sich in dieser Saison vorbildlich hinter die Mannschaft gestellt und sie überall tatkräftig unterstützt haben.
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Ein Kommentar
Ich habe zwar Trabzonspor nicht wirklich intensiv verfolgt, aber ich finde die Kolumne schon etwas hart und respektlos gegenüber Cimsir. Er hat Trabzon immerhin fast zur Meisterschaft geführt und seit fast einem halben Jahr nicht mehr in der Liga verloren. Das muss man auch erstmal schaffen. Vor allem mit Trabzon hat das kein anderer Trainer in den letzten 35 Jahren geschafft. Außerdem ist der Typ erst Anfang 40.. Wir reden immer darüber, dass man jungen Spielern und Trainern Chancen geben muss und wenn sie dann Fehler machen, erscheinen so Kolumnen, die auf jedes Fehlverhalten hinweisen. Vor allem, wenn die Leistung gar nicht mal so schlecht war. Er ist noch jung und kann sich als Trainer weiterentwickeln.. Da helfen so Berichte nicht wirklich weiter.