Am 3. Juni 2018 löste Ali Koc seinen Vorgänger Aziz Yildirim nach 20 Jahren als Präsident des türkischen Spitzenklubs Fenerbahce ab. Gestern sprach der 51-Jährige mittels des vereinseigenen Senders „FBTV“ direkt zur Gemeinde des Klubs aus Kadiköy und hatte schockierende Details zu verkünden: „Uns wurde bei Amtsübergabe mitgeteilt, dass die Verbindlichkeiten des Klubs 400 Millionen Euro betragen. Allerdings liegen die Schulden mit Stand vom 31. Mai 2018 bei 621 Millionen Euro (3,2 Milliarden TL). Die Verbindlichkeiten, die wir innerhalb eines Jahres begleichen müssen, liegen bei 2,2 Milliarden TL (circa 385,6 Millionen Euro). Davon müssen 820 Millionen TL zwischen Juni und September beglichen werden. 800,27 Millionen TL waren die Schulden, die wir gleich zu Beginn unserer Amtstätigkeit zu zahlen hatten. Das ist beängstigend, nicht wahr?“, so Koc.
Koc skizziert beunruhigendes Bild
Der Klubchef erklärte, dass er 50 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen in den Verein investiert habe, da der Klub über keine liquiden Mittel verfügte und so praktisch zahlungsunfähig war. Der Traditionsverein stünde am Rande der Insolvenz: „Wir haben zwar war unsere Erwartungen betrifft, nicht durch eine rosarote Brille geschaut, aber unsere schlimmsten Befürchtungen wurden bei weitem übertroffen. Wir haben gesehen, dass wir über keinerlei finanziellen Barreserven bei den Banken verfügen. Mahnungen, Übereignungs- und Vollzugsdrohungen erreichen uns aktuell. Wir haben uns den Sportbranchen zugewendet und realisiert, dass auch hier keine Zahlungen getätigt wurden. Ich möchte damit die Lage aufzeigen, der wir uns von Anfang an gegenübersahen. Ich will nur die Situation klar offen legen und bin nicht hier, um mit irgendjemanden abzurechnen.“
Werden Banken Eigentümer von Fenerbahce?
Die Höhe des Schuldenberges habe selbst Koc mehr als überrascht. Man stecke so tief in den Schulden, dass man praktisch darin versunken sei: „Mit Amtsantritt haben wir gleich zwei Wirtschaftsprüfungen im Verein vorgenommen. Die Zahlen sind erschreckend. Der KAP wurde unsere Situation als in „Schulden versunken“ (gemäß Artikel 376. Türk Ticaret Kanunu „borca batik“) gemeldet, doch die Vereinsmitglieder wurden darüber nicht informiert. Um von der UEFA die Lizenz bis zum 30. Juni zu erhalten, mussten wir 15,5 Millionen TL zahlen. Am Tag, an dem wir die Arbeit aufgenommen haben, betrugen die zu leistenden Zahlungen im Sportsektor 198 Millionen TL. Wir haben zudem eine Hypothek über 1,4 Milliarden TL, die den Klub belastet. Gegenüber den Wirtschaftsunternehmen betragen unsere Verbindlichkeiten 1,77 Milliarden TL. Die laufenden jährlichen Kosten für diese Schulden belaufen sich auf 450 Millionen TL. Die in Vereinshand befindlichen Aktien von Fenerbahce betragen 67,07 Prozent. Doch auch davon sind 38,83 Prozent als Sicherheit den Banken übertragen worden. Das heißt, der Verein besitzt im Moment nur 36,24 Prozent der Aktien ohne Belastung. Sollte Fenerbahce die Bankverbindlichkeiten nicht aufbringen können, verliert der Verein seine Eigentümerstellung.“
Neuer Sponsor an der Angel
Ali Koc hatte allerdings auch einige gute Nachrichten für die FB-Fans: „Wir haben uns einen Sponsor-Deal über 20 Millionen Dollar (etwas 96,57 Millionen TL) gesichert. In Kürze werden wir diesen offiziell verkünden. Was die Sponsoren betrifft, liegen wir weltweit auf Rang 25. Das ist nicht schlecht, aber abgesehen von TV- und Dauerkarten-Einnahmen wollen wir innerhalb von drei Jahren unter die Top15. Wir können 40.444 Dauerkarten verkaufen, bis jetzt haben wir 38.716 veräußert. Letztes Jahr betrugen die Einnahmen diesbezüglich 46.8 Millionen TL. Dieses Jahr sind es bisher 102,3 Millionen TL. Der Marktwertverlust der Spieler, die wir in den letzten 13 Jahren verpflichtet haben, beträgt durchschnittlich 33 Prozent.
Droht wieder Ärger mit der UEFA?
Was das Financial Fair Play (FFP) betrifft, droht uns eine Strafe (Europapokal-Ausschluss), egal ob wir Meister werden oder nicht. Wir dürfen innerhalb der letzten drei Jahre nur ein Minus von insgesamt 30 Millionen Euro aufweisen. In der Saison 2015/16 lagen wir ungefähr im Soll (gesamt – 30 Millionen Euro). Die Zahlen für 2018/19 liegen noch nicht vor. Allerdings lagen wir im Februar bereits bei Minus 20 Millionen Euro. TV-, Sponsor-, Transfereinnahmen, all das könnte am Ende nicht reichen, um eine Strafe abzuwenden. Natürlich ist dies keine Hoffnung schürende Situation, aber es werden bessere Zeiten kommen. Dafür benötigen wir aber Geduld, harte Arbeit und auch Entbehrungen. In drei bis vier Jahren wird Fenerbahce da stehen, wo der Klub hingehört. Ich habe zwar eine betrübliche Lage skizziert, aber ich hatte versprochen, dass ich für Transparenz sorge. Wir werden die Hoffnung nicht verlieren. Wir verfügen über alle Mittel, um diese Probleme zu bewältigen. Niemand soll ich Hoffnungslosigkeit verfallen. Die guten Zeiten sind nah, nur nicht ganz so nah, wie wir gehofft hatten.“
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