Halil Ibrahim Birinci geht einem äußerst interessanten und abenteuerreichen Hobby nach – dem Groundhopping. Dabei geht es darum, möglichst viele Stadien und Spiele an den verschiedensten Orten zu besuchen. Birinci ist seit über zehn Jahren weltweit unterwegs. Im Interview mit GazeteFutbol berichtet der 37-Jährige ausführlich über sein Hobby und die Ereignisse, die er während seiner Reisen erlebt hat. Tipps für Anfänger, die Interesse an diesem Vorhaben bekunden, hat er ebenfalls parat.
GF: „Hallo Halil. Vielen Dank, dass Du dir die Zeit für ein Interview mit GazeteFutbol nimmst. Zunächst würden wir uns über ein paar Worte zu Deiner Person freuen.“
Halil: „Ich bin der Halil Ibrahim Birinci, 37 Jahre alt und im Kopf mehr als jung geblieben. Ursprünglich komme ich aus der Nähe von Hanau und habe schon an verschiedenen Orten gelebt, wie in der Pfalz, Heidelberg oder in Ulm. Derzeit bin ich im Ordnungsamt tätig und lebe alleine am schönen Bodensee. Wie lange noch, kann ich jedoch nicht sagen, denn lange hält es mich an keinem Ort.“
GF: „Kommen wir zu Deinen Erfahrungen als Groundhopper. Wie begann Dein Interesse an diesem Hobby und wie viele Stadien hast Du bereits besucht?“
Halil: „In der Saison 2009/10 besuchte ich mein erstes Spiel. Es handelte sich um eine Partie in der Hessenliga beim VfB Marburg. Allerdings war ich bereits seit der Saison 1997/98 mit der Eintracht [Frankfurt] bei sehr vielen Spielen. Seit Beginn der 2000er-Jahre habe ich immer mal wieder hier und da Fußball geschaut, bis es ab dem o.g. Spiel in Marburg zu meinem Hobby wurde. Mein erstes Spiel überhaupt war am 15. Oktober 1996, als Trabzonspor in Gelsenkirchen auf den FC Schalke 04 traf. Ich habe seitdem 970 Stadien in 39 verschiedenen Ländern besucht.“
GF: „Welche Anfahrt zu einem Spielort war die anstrengendste?“
Halil: „Da gibt es viele anstrengende Touren. An erster Stelle fallen mir die Fahrten zu den Europapokal-Partien von Trabzonspor ein. Wie beispielsweise nach Skopje in Mazedonien oder Tirana in Albanien. Wir sind mit sehr wenigen Leuten im PKW bzw. Transportern hingefahren und jeweils kurz vor dem Anpfiff angekommen. Aber auch die eine oder andere Groundhopping-Tour durch Europa bzw. Südamerika kann ich nennen. Mehrere Stunden in Reisebussen vom Balkan nach Deutschland oder von Asuncion in Paraguay 22 Stunden durchgehend bis Buenos Aires in Argentinien. Mein beschwerlichster Trip war wohl die Autofahrt mit gerade mal fünf Leuten zum Spiel von Trabzonspor in Skopje. Wir fanden einfach kaum Leute, die mitgefahren sind und mussten sogar einen Umweg in Wien nehmen, damit wir noch einen Mann mehr an Bord hatten. Angekommen in Skopje, direkt zum Spiel und erstmal schön gegen diesen Amateurverein Rabotnicki verloren. Unmittelbar im Anschluss ohne Schlaf zurück und auf dem Weg irgendwo bei Zagreb an der Autobahn ausgestiegen. Für mich gab es in Kroatien noch zwei Spiele. Nach über 30 schlaflosen Stunden ging es mit zwei Stopps nach München, wo noch ein Amateurspiel mitgenommen wurde, bis ich dann endlich irgendwann nach über zwei Tagen in Ulm ankam und zunächst mal stundenlang geschlafen habe.“
„Wer Fußball pur erleben möchte, der sollte einmal im Leben unbedingt nach Buenos Aires.“
GF: „Welches ist das lauteste/schönste Stadion, das Du besucht hast?“
Halil: „Schöne Stadien gibt es weltweit. Eine lange Liste würde da nicht ausreichen. Einige fallen mir natürlich sofort ein, wie beispielsweise das alte Kantrida in Rijeka, Kroatien. Das Giuseppe-Meazza in Mailand und Luigi Ferraris in Genua, Italien. Das Estadio Tomas Adolfo Duco (Club Atletico Huracan) und Estadio Alberto Jacinto Armando (La Bombonera – Boca Juniors) in Buenos Aires, Argentinien. Das Stade Maurice-Dufrasne in Lüttich, Belgien. Aber auch kleinere Stadien wie die Grüne Au in Hof, Oberfranken oder das Stadion am Roten Steg in Bad Kötzting, Bayrischer Wald/Oberpfalz, das komplett aus Holz besteht. Ich liebe alte Stadien, die einen besonderen Flair haben, genauso kleine Stadien, die einen Charme besitzen. Neue Stadien, die inzwischen Arena genannt werden und alle gleich aussehen, gefallen mir natürlich überhaupt nicht. Denn da ist alles identisch. Eckig, voll bestuhlt und größtenteils überdacht. Leider auch inzwischen europaweit überall gleich. Ich könnte die Liste der schönen Stadien weiterführen, aber das hätte kein Ende. Laut sind Stadien in Ländern wie Polen, Griechenland, Türkei, die großen Städte im Balkan, aber auch Deutschland oder Italien. Auch hier würde es eine lange Liste geben. Ob Belgrad, Sofia, Athen, Stockholm, Wien, Warschau oder Buenos Aires. Es gibt viele Stadien, in denen es laut werden kann.“
GF: „Über welche besonderen Erlebnisse/Anekdoten kannst Du uns berichten ?“
Halil: „Mein besonderes Erlebnis war natürlich die lange Tour in Südamerika, wo ich in 25 Tagen 28 Spiele gesehen habe und in drei Ländern unterwegs war. Buenos Aires ist definitiv die Hauptstadt des Fußballs auf der Welt. So viele Vereine auf einem Haufen, das ist der Wahnsinn. Profis oder Amateure, die Stadt lebt davon, die Menschen kennen kaum was anderes. So gut wie jeden Tag wird überall gespielt und es hat einfach kein Ende. Die Menschen in Südamerika haben wenig Abwechslung im Leben und kennen kaum andere Hobbys, denn der Fußball bestimmt nun einmal das Leben. Eine andere Art und Weise des Fanatismus im Vergleich zu Europa. Wer Fußball pur erleben möchte, der sollte einmal im Leben unbedingt nach Buenos Aires.“
GF: „Was treibt Dich an, immer mehr Stadien und Fußballplätze zu sehen?“
Halil: „Mich reizt das Reisen in Kombination mit der Fußballkultur. Außerdem bin ich ein Sammler, der nie genug bekommt. Man macht die höheren Ligen in Deutschland voll, dann will man mehr. Es geht schließlich in die unteren Ligen, man reist dazu noch ins Ausland und besucht dort das ein oder andere Spiel. So wird es immer mehr und man erweitert den eigenen Radius. Ein bestimmtes Ziel habe ich nicht, aber es sollen sehr viele Länder sein, dazu viele Stadien. Egal ob Profis oder Amateure. Das Reisen soll natürlich nicht zu kurz kommen. Ich fahre nicht beispielsweise bis nach Budapest, um lediglich ein Spiel zu sehen um danach direkt zurück zu fahren. Dort schaue ich mir das Touristische natürlich an und interessiere mich selbstverständlich dafür. Klar kann das Touristische auch mal zu kurz kommen, aber das geschieht eher selten.“
GF: „Welche Stadien willst Du unbedingt noch sehen?“
Halil: „Ich möchte noch so viele Stadien sehen, eine bestimmte Liste habe ich jedoch nicht. Es ist eher schade drum, dass so viele Stadien abgerissen wurden, die ich leider nicht besuchen konnte. Wichtig wäre mir, alte Stadien zu sehen, bevor in denen nicht mehr gespielt wird oder sie gar abgerissen werden. Da gibt es in den unterklassigen Ligen genug in Deutschland, die ich noch abhaken müsste.“
GF: „Welche Tipps hast Du als erfahrener Groundhopper für Anfänger?“
Halil: „Als Anfänger sollte man wie immer erstmal klein anfangen. In der eigenen Region viel abklappern und es dann erweitern auf Deutschland und die Nachbarländer. Man bekommt immer mehr Erfahrung und erweitert seinen Radius. Natürlich sollte man im Ostblock oder in Süditalien vorsichtiger an Stadien herantreten als im friedlichen Holland oder Norwegen. Fankurven sollte man definitiv vermeiden. Beim Fotografieren/Filmen sollte man auch hier und da vorsichtig sein. Interesse und Neugier sind schön und gut, aber Respekt und Vorsicht vor Fans/Ultras/Hooligans sollte überall gegeben sein!“
GF: „Wie sieht Dein Vergleich zwischen der Fanbase Deiner Herzensklubs Eintracht Frankfurt und Trabzonspor aus?“
Halil: „Der Unterschied zwischen Deutschland und der Türkei ist teilweise immens. Bei der Eintracht gehen auch in der zweiten Liga sehr viele Fans ins Stadion, da spielt das Team oft vor gefüllten Rängen. Dagegen sind bei Trabzonspor und in der Türkei allgemein die Menschen eher erfolgsorientiert. Wenn es nicht so läuft, dann kommen die Fans leider nicht zu den Partien. Genauso ist es in den Europapokal-Spielen. Da fährst du mit 14 Trabzonspor-Fans nach Albanien oder mit zwölf in die Ukraine, weil es sehr weit ist. Spielt aber Trabzon in Deutschland oder in den Nachbarländern, dann kommen alle. Auswärtsfahrten sind nichts für Türken. Dagegen war ich mit 5.000 Frankfurtern in Zypern, 3.000 in der Ukraine, oder 12.000 in Bordeaux, um nur einige heftige Auswärtsfahrerzahlen zu erwähnen. Klar ist das europaweit eine Ausnahme, denn sehr wenige Fans fahren in solchen Massen weg. Aber das sind die großen Unterschiede zwischen der Türkei und Deutschland. Was bei Trabzon- und Türkei-Fans anders ist: Sie sind fanatischer als die Deutschen. Dagegen ist die Organisation bei den Deutschen besser, aber dafür sind sie ja auch bekannt. Die Fankurven und Choreos sind nun einmal deutlich öfter bzw. größer und viel besser. Gut, die türkischen Fankurven kommen da hinterher und sind mittlerweile immer besser organisiert.“
GF: „An welchem Ort war die unfreundlichste Polizei?“
Halil: „Bekannt für ihre Härte sind spanische und belgische Polizisten. Die spanischen Polizisten greifen immer relativ schnell und hart durch. Aber fantechnisch interessiert mich das Land eher recht wenig. Gute Stimmung hat man da sehr selten, gute Fankurven gibt es dort nicht, hat sich nie wirklich etabliert.“
GF: „Wo schmeckt die Stadionwurst am Besten?“
Halil: „Die schwierigste Frage zum Schluss (lacht). Ich esse so gut wie nirgendwo eine Stadionwurst, da muss ich leider passen.“
Wer Halil Birinci auf seinen Reisen und bei seinen Stadion-Abenteuern folgen will, kann dies über Birincis Social Media-Kanäle tun.
Ihr findet ihn auf Facebook, Instagram und Youtube unter dem Usernamen: @QUOTENQANAKE
Das Interview mit Halil Birinci führte Mikail Uzun