Die Corona-Krise hat den Fußball fest im Griff, fast alle europäischen Ligen müssen mitten in der Saison eine Zwangspause einlegen. Wann und wie es wieder losgeht, ist von Land zu Land unterschiedlich. Während in der deutschen Bundesliga seit dem 16. Mai wieder gespielt wird, beginnt die türkische Süper Lig erst 4 Wochen später.
Durch die Kontaktbeschränkungen ist es nicht möglich, den Zuschauern Eintritt in die Stadien zu gewähren. Die einzige Möglichkeit, die Ligen fortzuführen, sind Geisterspiele. Große Stadien mit leeren Rängen, Ersatzspieler, die immer zwei Plätze zwischen sich freilassen müssen und ein Staff, der gezwungen ist, Mundschutz zu tragen – ein Anblick, an den man sich wohl nie gewöhnen wird. Doch nur durch derartige Bedingungen ist es überhaupt möglich, die Profiligen fortzusetzen; also ein Kompromiss, den man eingehen muss, um nicht komplett auf Fußball zu verzichten.
Wie werden die Spieler unter diesen Umständen beeinträchtigt?
Der Fußball lebt von seinen Emotionen, dem Teamgeist und der Atmosphäre während des Spiels. Doch wie sollen Emotionen entstehen, wenn es verboten ist, die Mitspieler vor dem Spiel abzuklatschen oder nach einem Tor zusammen zu jubeln? In der Kabine muss Mindestabstand gehalten, im Training unnötiger Kontakt vermieden werden. Ein weiterer Aspekt, der die Form der Spieler nach unten zieht, ist die generelle Pause aller Mannschaften. Eine Zeit, in der von zuhause Kraft- und Ausdauertraining gemacht werden konnte – mehr nicht. Dem Fußball wird fast alles, was ihn ausmacht, geklaut. Selbst Spieler mit der allerbesten Mentalität haben es schwer, bei Anpfiff zu 100 Prozent da zu sein.
Geisterspiele – wie sehr fehlt der 12. Mann?
Jeder, der schon einmal in einem ausverkauften Stadion war, weiß, was für eine Atmosphäre durch die Zuschauer entstehen kann. Die Emotionen, die auf den Rängen entstehen, übertragen sich automatisch auf die Spieler, was ihnen einen zusätzlichen Schub gibt. Fehlt diese emotionale Atmosphäre, entsteht ein Testspielcharakter, die Spieler können sich nur untereinander pushen. Für einen Profikicker das Worst-Case-Szenario. Das Gefühl, bei einem Tor vor der jubelnden Menge zu stehen oder für einen gewonnenen Zweikampf Applaus zu bekommen, lässt sich nicht künstlich herstellen. Insgesamt werden die Spiele also weniger körperlich, weniger emotional und somit insgesamt weniger attraktiv. Die Zwangspause kommt vor allem für Mannschaften mit guter Form ungelegen, zum Beispiel haben Basaksehir, Trabzonspor und Galatasaray keines ihrer letzten fünf Spiele verloren und müssen sich jetzt erst wieder in die alte Form kämpfen. Alles in allem werden Geisterspiele nie eine langfristige Lösung im Profifußball sein. Außerdem fehlen den Vereinen die Zuschauereinnahmen, ein großes finanzielles Standbein, was kompensiert werden muss.
Geisterspiele in der Türkei
Es gibt kaum eine Liga, die so berühmt für ihre Zuschauer ist wie die Süper Lig in der Türkei. Die temperamentvollen türkischen Zuschauer motivieren ihre Spieler durch lautstarke Unterstützung sowie eindrucksvolle Choreographien. Die Stimmung im Istanbul-Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahce sucht in Europa seinesgleichen. Pyro-Wahnsinn, Massenschlägereien und mehr hunderte Securitys in Kombination mit überdurchschnittlich vielen Gelben und Roten Karten sind die Schattenseiten des Derbys. Zwar sind nicht alle Spiele in der Süper Lig so emotional aufgeladen, jedoch ist die Türkei bekannt für solche Emotionen und auch bei anderen Spielen zeigen die Zuschauer ihr Temperament.
Neben den negativen Auswirkungen dieser Unterstützung hat diese auch was Positives: Der Anteil gewonnener Heimspiele ist in der Türkei durchschnittlich höher als in anderen europäischen Ligen. Auch internationale Spiele in der Champions League oder Europa League werden häufiger in der Türkei gewonnen als auswärts. Selbst gestandene Profis mit langjähriger Erfahrung auf Top-Niveau sind beeindruckt von der temperamentvollen Atmosphäre.
Galatasaray hat in dieser Saison neun Spiele gewonnen, ein Spiel verloren, viermal Remis gespielt und somit insgesamt 31 Punkte aus 14 Spielen im Türk Telekom-Stadion geholt. Auswärts wurde fünfmal gewonnen, viermal unentschieden gespielt und dreimal verloren. Damit wurden aus zwölf Spielen vergleichsweise wenige 19 Punkte geholt. Außerdem hat Galatasaray in Heimspielen häufiger getroffen und weniger Tore kassiert.
Ein weiteres Beispiel, was noch deutlicher zeigt, wie Zuschauer die Mannschaft bei Heimspielen motivieren können ist Sivasspor: Während in Auswärtsspielen fünfmal gewonnen und fünfmal verloren wurde, haben sie keines ihrer 13 Heimspiele verloren und in diesen nur neun Gegentore kassiert. Besser kann man die Wichtigkeit der Unterstützung von den Rängen nicht zeigen.
All diese Informationen über die Vereine, ihre Tabellensituation, ihre Form oder ihre Tordifferenz in der Süper Lig erhält man auf der Oddspedia Süper Lig Seite.
Des Weiteren kann man sich dort auch Wettquoten für die Türkei, die Bundesliga, Premier League usw. und alle anderen Ligen in Europa anzeigen lassen und von diesen verschiedene Informationen erhalten.
Wie wirken sich die Geisterspiele auf die Wettquoten aus?
Durch die oben bereits beschriebenen Faktoren wird die Heimstärke vieler Mannschaften einiges einbüßen müssen, was sich auch auf die Quoten auswirken wirkt. Beispielsweise hatte Sivasspor im Heimspiel gegen Galatasaray eine 2.8er-Quote, während Galatasaray eine 2.7er-Quote hatte. Betrachtete man die beiden Mannschaften objektiv, ist Galatasaray von seinen Möglichkeiten, Spielern und finanziellen Mitteln Sivasspor weit voraus, doch aufgrund der Heimstärke von Sivasspor haben sie fast die gleiche Quote.
Würde dieses Spiel unter aktuellen Umständen noch einmal stattfinden, in einer Trainingsspielatmosphäre ohne Zuschauer, hätte Galatasaray wahrscheinlich eine Quote unter 2.00, während die Quote von Sivasspor auf über 3.00 steigen würde. Dies liegt daran, dass alleine auf die spielerische Klasse beschränkt, Sivasspor geringe Chancen hat zu gewinnen. Sie brauchen die Emotionen von den Rängen, sowie die temperamentvolle Atmosphäre, um durch kämpferische Leistungen überzeugen zu können.
Gleiches gilt für das Istanbul-Derby: Fenerbahce und Galatasaray sind zwei Mannschaften, die sich spielerisch und finanziell ungefähr auf einem Niveau befinden, doch beide Mannschaften haben große Fanlager, die in Heimspielen durch ihre Unterstützung die Wahrscheinlichkeit eines Sieges erhöhen. Betrachtet man die Quoten aus dieser Saison, sieht man diesen Effekt ganz deutlich: Im Hinspiel hatte Galatasaray als Heimmannschaft eine 2.15er-Quote, Fenerbahce als Auswärtsmannschaft eine 3.8er-Quote. Im Rückspiel hatte Fenerbahce als Heimmannschaft eine 2.19er-Quote und Galatasaray als Auswärtsmannschaft eine 3.8er-Quote. Der Heimvorteil wirkt sich auf die Quoten also so stark aus, dass man fast doppelt so viel Geld gewinnen kann, wenn man auf die Mannschaft im Istanbul-Derby tippt, die keinen Heimvorteil hat.
Würde das Rückspiel dieses Derbys nach dem 12. Juni als Geisterspiel stattfinden, wären die Quoten beider Mannschaften wahrscheinlich deutlich angeglichener, wenn nicht sogar nahezu gleich, da kein wirklicher Heimvorteil entstehen kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Geisterspiele, beziehungsweise die Corona-Krise an sich, nicht nur negativ auf die Performance der einzelnen Spieler auswirkt, sondern auch das ganze Umfeld um den Fußball herum beeinträchtigt. Während Spieler durch fehlende Atmosphäre und fehlenden Emotionen nicht ihre volle Leistungsstärke abrufen können, verlieren heimstarke Mannschaften ihren Vorteil, durch Zuschauer zusätzlich motiviert zu werden sowie ihre Einnahmen durch Eintrittsgelder.
Die Auswirkungen auf die Wettquoten lassen sich noch nicht genau beziffern, jedoch wird der Fußball auf die Klasse der Spieler an sich reduziert, sodass durch den entstehenden Testspielcharakter der Geisterspiele die bessere Mannschaft auch häufiger gewinnen wird als im normalen Betrieb, da die spielerisch schlechteren Mannschaften sich auf Emotionen und Kampf fokussiert haben, um bessere Gegner schlagen zu können. Insgesamt eine Situation, die für alle Beteiligten nur Nachteile bringt.