Im Weltfußball bahnt sich eine neue Ära an: Die FIFA und das International Football Association Board (IFAB) bereiten weitreichende Veränderungen rund um den Videobeweis vor. Beim Blick auf die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko ist klar: Der Video Assistant Referee (VAR) soll deutlich mehr Einfluss auf das Spielgeschehen erhalten, gleichzeitig wird an Mechanismen gearbeitet, um Zeitverluste zu reduzieren und Trainer stärker einzubinden.
FIFA plant erweiterte VAR-Eingriffe bei der WM 2026
Die FIFA bereitet sich darauf vor, den Einsatzbereich des VAR bei der Weltmeisterschaft 2026 auszuweiten. Der Videobeweis soll nicht länger nur bei klassischen „Game-Changer“-Entscheidungen wie Toren, Elfmetern, direkten Roten Karten oder Spielerverwechslungen eingreifen. Laut einem Bericht der englischen Tageszeitung The Times wird geprüft, dass künftig auch Eckballentscheidungen sowie Situationen rund um eine zweite Gelbe Karte per VAR überprüft werden können.
Damit würde der Einfluss des Systems auf den Spielfluss spürbar steigen. Schiedsrichter bekämen zusätzliche Unterstützung in Szenen, die bislang nur auf dem Platz bewertet wurden. Die FIFA knüpft diese Ausweitung an eine klare Bedingung: Zunächst soll das neue Modell bei der Weltmeisterschaft 2026 getestet werden. Funktioniert es in einem Turnier dieser Größenordnung stabil und wird von Spielern, Trainern und Fans akzeptiert, steht die dauerhafte Einführung in internationalen Wettbewerben und nationalen Ligen zur Diskussion.
Parallel dazu soll bei der WM eine neue Verletzungsregel außerhalb des Strafraums erprobt werden. Wenn ein Spieler behandelt werden muss und für das vorausgegangene Foul weder eine gelbe noch eine Rote Karte gezeigt wurde, muss der verletzte Akteur das Spielfeld für zwei Minuten verlassen. Ziel ist es, Simulationen und taktische Unterbrechungen zu reduzieren und das Spieltempo hochzuhalten. Erhält das Paket offiziell grünes Licht, sollen die neuen Bestimmungen ab dem 1. Juni 2026 in Kraft treten.
IFAB diskutiert vier zentrale Ansatzpunkte für Regeländerungen
Das IFAB, das weltweit für das Fußball-Regelwerk verantwortlich ist, hat parallel eine Sitzung zu möglichen Anpassungen abgehalten. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich Zeitverluste verringern und Fehlentscheidungen in kritischen Momenten noch besser vermeiden lassen. Eine der wichtigsten Ideen: Der Anwendungsbereich des VAR bei persönlichen Strafen soll ausgeweitet werden.
Bislang darf der VAR bei Roten Karten direkt eingreifen, bei zweiten Gelben Karten hingegen nicht. In der Sitzung wurde nun diskutiert, dass der Video-Assistent künftig auch dann aktiv werden könnte, wenn eine zweite Verwarnung zu einer fragwürdigen roten Karte führt. So sollen grobe Fehlentscheidungen korrigiert und eine ungerechte Dezimierung von Mannschaften verhindert werden.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Spielzeit. Schon jetzt gibt es eine neue Torwartregel, die vorschreibt, wie lange ein Keeper den Ball in den Händen halten darf. Überschreitet er diese Grenze, erhält die gegnerische Mannschaft einen Eckstoß, wobei Schiedsrichter die letzten Sekunden aktiv anzeigen. Laut einem Bericht des Fachportals The Athletic wird nun erwogen, ähnliche Mechanismen auch auf Einwürfe und Abstoß-Situationen auszuweiten, um Verzögerungstaktiken konsequenter zu unterbinden.
Trainer-Challenge in La Liga: Coaches können VAR-Checks verlangen
Neben FIFA und IFAB arbeitet auch die La Liga an einer Reform des Umgangs mit dem Videobeweis. Die spanische Liga will ihren Trainern in Zukunft das Recht einräumen, den Schiedsrichter direkt zu einer VAR-Überprüfung aufzufordern. Damit würde ein Element aus dem Basketball und American Football in den Fußball übertragen: die sogenannte „Coach’s Challenge“.
Wie der spanische Sender COPE berichtet, sollen Trainer pro Spiel zweimal die Möglichkeit haben, eine VAR-Prüfung zu beantragen. Wird der Antrag als berechtigt eingestuft und führt zu einer Korrektur oder Bestätigung einer strittigen Szene, bleibt das jeweilige Recht erhalten. Liegt der Coach falsch, verliert er eines seiner beiden Rechte. So sollen Fehlentscheidungen in Schlüsselmomenten minimiert und gleichzeitig die Zahl unnötiger Unterbrechungen begrenzt werden.
Die spanische Liga erhofft sich davon mehr Transparenz und ein stärkeres Gefühl von Fairness, da Trainer bei besonders umstrittenen Szenen ein direktes Mittel zur Hand haben, auf eine Überprüfung zu bestehen. Gleichzeitig bleibt die letzte Entscheidung weiterhin beim Schiedsrichter auf dem Platz und beim VAR-Team im Hintergrund.
Was die geplanten Anpassungen für den Fußball bedeuten
Die parallelen Initiativen von FIFA, IFAB und La Liga zeigen, dass das Thema VAR längst in eine zweite Entwicklungsphase eingetreten ist. Statt über das „Ob“ des Videobeweises zu diskutieren, geht es nun um das „Wie“. Mit erweiterten Eingriffsmöglichkeiten, zeitlich begrenzten Verletzungsunterbrechungen und Trainer-Challenges soll der Fußball gerechter, klarer und flüssiger werden – ohne den Charakter des Spiels zu verlieren.
Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt davon ab, wie konsequent und einheitlich die neuen Regeln umgesetzt werden und wie Spieler, Trainer und Fans die zusätzlichen Eingriffsmöglichkeiten akzeptieren. Fest steht: Spätestens mit der Weltmeisterschaft 2026 könnte eine neue VAR-Ära beginnen, die den Profifußball nachhaltig prägen wird.


