Nach vier Jahren mit Senol Günes, der sich sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene in die Geschichtsbücher von Besiktas eintrug, war die Zeit reif für eine Veränderung. Denn: Der Altersdurchschnitt des Kaders war in den vergangenen beiden Jahren erheblich angestiegen. Des Weiteren führte die stetige Transferzirkulation zu einer großen Unruhe innerhalb der Spielergruppe, so dass die Ergebnisse auch nicht mehr stimmten. Günes machte also Platz, damit eine neue Mannschaft mit einem neuen Übungsleiter aufgebaut werden kann. Dies bedeutete für den neuen Trainer wiederum, dass es nicht so leicht werden würde wie noch vor vier Jahren beim Amtsantritt von Günes. Abdullah Avci war der Auserkorene und übernahm im Mai letzten Jahres das Zepter beim 15-maligen Meister. Aber anstatt eine neue Ära einzuleiten, bereitete er innerhalb von acht Monaten Schritt für Schritt sein eigenes Ende vor.
Avcis Co-Trainer wird schon zum Problem
Der 56-Jährige ist einer der wenigen Coaches innerhalb der Liga, der in den deutschen Medien gerne als “Konzepttrainer” bezeichnet wird. Der frühere türkische Nationalcoach glaubte an die Wichtigkeit einer starken Vereinsstruktur und hatte beim Ligarivalen Medipol Basaksehir mit dieser Strategie sehr erfolgreich gearbeitet. Unter diesen Aspekten erschien er als der richtige Mann für Besiktas. Aber der Vorstand bei den Istanbulern, der eigentlich die neuen Ziele des Vereins festlegen sollte, hatte schon längst seinen Zenit überschritten und überließ Avci innerhalb kürzester Zeit die gesamte Verantwortung. Eine Verantwortung, die Avci förmlich erdrückte. Allein der Beginn war für den Taktikfuchs mehr als nur schwierig lösbar. Sein Co-Trainer Orhan Ak wurde von den schwarz-weißen Fans nicht akzeptiert. Anstatt ihn sofort zu entlassen, stellten sich der Vorstand und Avci gegen die Fans, es entwickelte sich eine Art Machtkampf.
Fehler: Avci wollte Unterstützung
Den ersten Fehler machte er aber bereits vor dem Drama um seinen Co-Trainer in seiner ersten Pressekonferenz vor der Saison: „Ich verlange von den Fans nicht Zeit oder Geduld, sondern Rückendeckung.“ Eigentlich war das wichtigste was er benötigte aber Zeit. Avci hat zunächst tatsächlich gedacht, dass er da weiter machen kann, wo er bei den “Eulen” von Basaksehir aufgehört hatte. Allerdings übersprang er in seinen Planungen einen ganz wesentlichen Punkt. In den letzten fünf Jahren hat er in einem äußerst ruhigen Umfeld eine Spielstrategie entwickelt. Besiktas konnte ihm allerdings weder die Kapazitäten, die benötigte Zeit noch die gewünschten Spieler zur Verfügung stellen. Der gebürtige Istanbuler hatte eine Mannschaft im Kopf, die über lange Zeit den Ball besitzt, sich in der gegnerischen Hälfte festsetzt und im engen Raum spielerisch nach Lösungen sucht. Doch weder der übrig gebliebene Spielerkader von der vergangenen Saison noch die neu dazugestoßenen Spieler im Sommer waren seinen Vorstellungen entsprechend.
Sergen Yalcin haucht ganz Besiktas neues Leben ein
So war es nicht sonderlich überraschend, dass die Zusammenarbeit nach den sang- und klanglosen Abschieden aus dem Titelrennen und dem türkischen Pokal (Ziraat Türkiye Kupasi) beendet wurde. Kein Trainer der Welt hätte sich bei solchen Misserfolgen und Ergebnissen so lange auf dem Trainerstuhl bei Besiktas halten können, wenn nicht die finanziellen Probleme gewesen wären. Nun musste also einer her, der die Spaltung zwischen Fans, Spieler und Vorstand aus der Welt schaffen kann. Diese Person war kein geringerer als die lebende Vereinslegende Sergen Yalcin. Allein bei seiner Unterschriftszeremonie füllten über 20.000 BJK-Fans lautstark den Vodafone Park und begrüßten ihren neuen Hoffnungsträger auf der Trainerbank mit frenetischen „Sergen, Sergen“-Sprechchören. Somit gelang es dem Vorstand zunächst, dass die Fans mit dem Klub wieder eins wurden.
Fazit: Besiktas kann mit Sergen Yalcin auf bessere Zeiten hoffen
Doch das war nicht das einzige Positive innerhalb kürzester Zeit. Der 47-jährige Übungsleiter konnte sämtliche Statistiken im Spiel aufwerten. Punkte pro Spiel wurde von 1,57 auf 2,16 erhöht, Ballbesitz im Strafraum pro Spiel wurde von 26,8 auf 34,0 erhöht und Gegentore pro Spiel sind von 1,4 auf 1,0 zurückgegangen. In sieben Ligaspielen gab es vier Siege, zwei Remis und nur eine knappe Niederlage. Diese Statistiken machen sich auch im Spiel an sich bemerkbar: Die Zuschauer haben wieder Spaß am Besiktas-Fußball. Trotz des hohen Altersdurchschnitts schaffen es die Spieler das Pressing von Yalcin umzusetzen, auch die Defensive wirkt etwas sicherer. Was unbedingt besser werden muss, ist allerdings die Produktivität vor dem gegnerischen Tor. Trotz zahlreicher Chancen schaffen es die „Schwarzen Adler“ schwer davon Profit zu schlagen. Wenn es der Klublegende gelingen sollte dieses Problem zu beheben, dann wird es in den nächsten Spielzeiten ein aufregendes Projekt, womit man auch Erfolge feiern könnte. In dieser Saison gibt es aber jedoch nichts mehr zu gewinnen.