Fatih Terim kämpfte an vorderster Front um eine Unterbrechung der türkischen Liga im Zuge der Ausbreitung des Coronavirus. Jetzt ist der 66 Jahre alte Cheftrainer von Galatasaray Istanbul selbst infiziert. Und ein Land befindet sich in Schockstarre.
Es war ja nicht so, dass man nicht über den Coronavirus sprach. Die Ausbreitung des neuartigen Erregers ist auch in der Türkei ein Dauerthema.
Die Türkei zählt inwischen über 1.500 offiziell gemeldete Infizierte, 37 starben bisher an Covid-19 (Stand: 24. März). Schulen und Universitäten sind längst geschlossen, Cafes und Bars auch. Selbst die Moscheen wurden für ein gesellschaftliches Zusammenkommen bis auf Weiteres gesperrt. Inzwischen wurde auch eine Ausgangssperre für Personen ab 65 Jahren ausgesprochen, um diese Risikogruppe zu schützen.
Dass unter diesen Umständen der türkische Fußballverband für das vergangene Wochenende tatsächlich doch vorhatte, die Süper Lig – immerhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit – spielen zu lassen und am Donnerstag gar die Schiedsrichter für alle Partien ansetzte, klingt wie ein schlechter Scherz.
Fatih Terim forderte sofortigen Stopp der Liga
Während das öffentliche Leben auf das Möglichste heruntergefahren wird, sagte Verbandschef Nihat Özdemir noch am vergangenen Dienstag, dass man am Plan, die Liga weiterspielen zu lassen, festhalten werde. Bis Sportminister Mehmet Kasapoglu zwei Tage später dann doch verkündete, dass die übrig gebliebenen Sportwettwerbe, Fußball, Basketball und Volleyball, nun auch Corona-Pause machen werden. Der gleiche Özdemir sprach dann plötzlich von einer richtigen Entscheidung.
Vorangegangen war ein großer Protest einiger Beteiligter. Weil Trabzonspors John Obi Mikel besonders lautstark forderte, den Spielbetrieb zu unterbrechen und damit wohl gegen die Meinung des Klub-Präsidenten Ahmet Agaoglu, der ein paar Tage zuvor noch mit Mundschutzmaske posaunte, dass keine Pause nötig wäre, wurde der Vertrag des Nigerianers kurzfristig aufgelöst. Mikel verzichtete dem Vernehmen nach sogar auf ausbleibende Zahlungen. Einfach nur weg, Geld ist nicht so wichtig.
Angeführt wurde der Protest allerdings von Fatih Terim. Der Galatasaray-Trainer weigerte sich vor dem Derby gegen Besiktas, das später langweilig torlos enden sollte, sich zu den sportlichen Belangen zu äußern und setzte auch danach zu einer denkwürdigen Pressekonferenz an, in der er den sofortigen Stopp der Liga forderte: „Ihr könnt den zum Meister machen, denn ihr machen wollt, wenn es hilft, dass niemand zu Schaden kommt.“
Viele TV-Sender unterbrechen laufendes Programm
Nun. Am Montagabend setzte Terim einen Beitrag bei Twitter ab, in dem er bestätigte, dass er mit dem Coronavirus infiziert wurde und nun in einem Istanbuler Krankenhaus isoliert in Behandlung ist. Terim ist 66 Jahre alt, gehört alleine deswegen schon zur Risikogruppe. Wie seine Tochter Buse Terim in einem Instagram-Video bestätigt, geht es Terim den Umständen entsprechend gut und glücklicher Weise habe er auch keine Vorerkrankungen. Doch wie kreidebleich Tochter Terim in dem Beitrag aussah, so war auch die Stimmung unmittelbar nach der Verkündung des Galatasaray-Trainers.
Viele TV-Sender unterbrachen das laufende Programm, um über die Krankheit Terims zu berichten. Viele Sender berichteten bis in die Nacht hinein, Reporter meldeten sich live vom Krankenhaus. Immerhin bewahrheiteten sich nicht die Spekulationen, wonach auch Terims Assistenten Ümit Davala und Hasan Sas positive Tests hatten. Beide dementierten die Meldungen auf ihren sozialen Kanälen.
Melden musste sich auch Besiktas-Trainer Sergen Yalcin, der am Wochenende zuvor noch von einer „Übertreibung“ sprach. Yalcin sagte in einem Videobeitrag dann kleinlaut, dass es ihm gut gehe, er aber dennoch einen Test machen werde. Von einer Übertreibung sprach der einstige Filigrantechniker nicht mehr.
Trauer über Erkrankung wandelt sich in Wut
Wie auch? Neben Yalcin schickten auch alle Süper-Lig-Klubs über sozialen Medien Terim ihre Genesungswünsche, auch Ex-Spieler wie Didier Drogba oder Wesley Sneijder ließen nicht lange auf sich warten und posteten Beiträge, um ihrem Ex-Trainer zur Seite zu stehen. Knapp 100.000 Menschen sprachen Terim alleine bei Twitter aufmunternde Worte zu.
Nur der türkische Fußballverband ließ lange auf sich warten, bis man mit einem Genesungsstatement um die Ecke kam. Darin wünschte man auch Galatasaray-Vizepräsident Abdürrahim Albayrak alles Gute, der ebenfalls infiziert wurde. Ein trockener Beitrag, weit weg von Emotionen.
Der Trauer um die Krankheit der Vereinslegende schlug bei vielen Galatasaray-Fans spätestens nach dieser Pressemitteilung in Wut gegenüber dem Verband um. Ein Verband, der nicht Eigeninitiative ergreifen wollte, um die Liga zu unterbrechen und damit eine heftige Verantwortung auf sich nahm und nun in Terim einen Infizierten in der Liga hat, der für die TFF nicht hätte fataler sein können.
Terim besitzt unvergleichlichen Legendenstatus
Die Strahlkraft, die Terim im türkischen Fußball hat, ist immens. Die Erfolge, die er – auch auf internationaler Bühne – auf seinem Briefkopf verewigt hat, sind so groß, dass Terim bei der Galatasaray-Anhängerschaft einen unvergleichlichen Legendenstatus besitzt und sich bei den vielen Widersachern, die der exzentrische Coach zuhauf hat, zumindest in großem Respekt äußert. Selbst größte Gegner Terims forderten noch am Abend den Rücktritt des Verbandspräsidenten und aller Gremien.
Man kann sich gar nicht ausmalen, welche Last der vermögende Verbandsboss Özdemir gerade trägt und wie groß sie erst werden würde, wenn sich Terims Krankheitsbesuch verlängern sollte. Womöglich ist es nur noch eine Frage der Zeit, wie lange sich der Geschäftsmann auf seinem Posten halten kann. Begonnen mit viel Elan und auch guten Ansätzen, gab er zuletzt immer wieder eine unglückliche Figur ab. Gut möglich, dass die Terim-Krankheit nun das Ende seiner Laufbahn als Verbandspräsidenten bedeuten könnte.
„Warum ist die Gesundheit meiner Kinder nicht wichtig?“, fragte Terim vor wenigen Tagen. Jetzt ist der Papa der Spieler krank. Und hoffentlich auch bald wieder zu Hause.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf focus.de
Autor: Fatih Demireli
4 Kommentare
https://www.youtube.com/watch?v=EmjoQmswAwc&feature=emb_title Sowas verabscheuhe ich zutiefst und schäme mich tag für tag für diese art von Menschen
Soll man jedem frustrierten Troll auf dieser Welt aufmerksamkeit schenken? Das wäre so, als würde man jede Nachricht von deutschen Nazis, welche über Ausländer fluchen, ins internet stellen. Behinderte gibt es überall.
Eine Schande für die Türkei. Wieder einmal mehr. Stolz ein Galatasaray-Fan zu sein, weil die von Anfang an nicht auf ihr Mund sitzen. Man sehe Muslera und Co!
Es ist nicht nur der TFF, sondern die ganze Erdogan Regierung die hier wieder einmal scheitert.
Beim Derby gegen Besiktas, merkte man, dass die Spieler andere Sachen im kopf hatten, wie das Fussballspiel.
Ist Muslera nicht erst vor kurzem zurückgerudert ?