Im Sommer 2016 zog es Erdal Öztürk in die Reserve des FC Bayern, nur wenige Tage später fand sich das Mittelfeldtalent vor 68.000 Zuschauern in der Allianz Arena auf dem Platz gegen Manchester City wieder – und wurde beim 1:0-Testspielsieg zum Matchwinner. Vier Jahre später spielt Öztürk in der zweiten türkischen Liga bei Fatih Karagümrük um den Aufstieg. Im Transfermarkt-Interview erklärt der 24-Jährige, warum sein Wechsel in die Türkei zu früh kam, wie Berater Talente locken und warum er nach Deutschland zurück möchte.
Transfermarkt: „Und dann trifft Erdal Öztürk“ titelte der „Weser-Kurier“ vor fast genau vier Jahren. Erinnern Sie sich noch gut an den Moment gegen Man City?
Öztürk: Klar, solch einen Moment vergisst man als Spieler nicht. Gänsehaut pur. Ich denke gerne an diesen Tag. Solche Momente geben dir die Kraft und Energie, um schlechte Phasen zu überwinden.
Transfermarkt: Carlo Ancelotti berief Sie zum Saisonstart zweimal in den Profikader, Sie durchliefen bis zur U20 die Auswahlmannschaften des DFB und der Türkei, kickten mit Timo Werner und Leroy Sané bei der U19-EM 2015. Mittlerweile ist es ruhiger um Sie geworden. Wie ergeht es Ihnen zurzeit?
Öztürk: Zunächst geht es mir gesundheitlich sehr gut. Ich bin topfit. Das Coronavirus hat auch die Türkei und den türkischen Fußball hart getroffen. Daher bin ich sehr froh, dass ich gesund bin und spielen kann.
Transfermarkt: Warum haben Sie sich nur ein Jahr nach dem Wechsel zum FC Bayern für die neue Herausforderung in der Türkei bei Kayserispor entschieden?
Öztürk: Eine gute Frage. Hinterher ist man immer schlauer. Damals war ich jung, unerfahren und wurde nicht optimal beraten. Ich habe mich vom „großen Geld“ locken lassen. In der Türkei Fußball zu spielen, ist etwas ganz Besonderes. Die Leidenschaft, die Fans und Emotionen sind unglaublich, vor allem wenn man türkischer Herkunft ist.
Transfermarkt: Beim Süper Lig-Klub saßen Sie quasi eine Spielzeit lang nur auf der Bank, kamen im Saisonfinale zu zwei Einsätzen. Kam der Wechsel in die Türkei zu früh?
Öztürk: Ja, definitiv. Ich habe zwar viel dazu gelernt, aber fußballerisch war die Entscheidung nicht optimal.
Transfermarkt: Wurde Ihnen der Schritt sehr schmackhaft gemacht?
Öztürk: Auf jeden Fall. Die Türkei ist ein schönes Land und ich habe nur die positiven Seiten gesehen. Dann gab es natürlich viele Befürworter aus der Familie und meinem Umfeld.
Transfermarkt: Ist das ein grundsätzliches Problem für junge Talente mit Migrationshintergrund, dass sich Berater oder Mittelsmänner mit ominösen Angeboten aus dem Ausland melden?
Öztürk: Bei mir war es auf jeden Fall so. Ich wurde bei der TSG 1899 Hoffenheim und dem FC Bayern München sehr gut ausgebildet. Das Interesse aus der Türkei war dann groß und die Gespräche entsprechend „charmant“. Als junger Spieler mit türkischen Wurzeln ist es schwer, da Nein zu sagen.
Transfermarkt: Nach einem Jahr bei Kayserispor ging es für Sie in die 2. Liga, wo Sie die letzten zwei Jahre aktiv waren. Zuletzt kamen Sie bei Adana Demirspor und Leihklub Fatih Karagümrük aber auch nicht mehr regelmäßig zum Zug. Warum passt es in der Türkei aktuell nicht?
Öztürk: Der türkische Fußball ist anders. Er ist nicht per se schlechter, aber man geht anders an das Spiel heran. Ich glaube, dass meine Qualitäten und meine Ausbildung hier nicht eins zu eins passen.
Transfermarkt: Ein Niklas Dorsch, der mit Ihnen bei Ihrer ersten Nominierung durch Ancelotti auf der Bayern-Bank saß, ist ein Jahr nach Ihnen zum 1. FC Heidenheim gewechselt und schaffte dort den Durchbruch. War der Transfer in die Türkei rückblickend betrachtet für Sie ein Fehler?
Öztürk: Der Schritt war zu früh. Niklas hat es besser angestellt. Ein Beweis dafür, dass die spielerische Klasse nicht alles ist. Es muss einfach alles passen.
Transfermarkt: Können Sie positive Aspekte aus Ihrer Zeit in der Türkei mitnehmen?
Öztürk: Ja. Aus Fehlern lernt man. Man lernt nicht nur, was man will, man lernt auch, was man nicht will.
Transfermarkt: Hat sich Ihre Perspektive auf den Fußball durch die drei Jahre im Ausland geändert?
Öztürk: Definitiv. Als Spieler reift man mit den Jahren. Vor allem wenn es nicht so gut läuft, macht man sich doch als Spieler und Mensch viele Gedanken und hinterfragt sich und seine Umgebung kritisch.
Transfermarkt: Sie stehen noch bis 2021 bei Adana Demirspor unter Vertrag, der Klub kämpft ebenso wie Fatih Karagümrük um den Aufstieg beziehungsweise die Play-offs. Wie geht es für Sie im Sommer weiter?
Öztürk: Nach intensiven Überlegungen und Gesprächen mit meinem Berater möchte ich gern wieder in Deutschland Fuß fassen und mich für die Bundesliga empfehlen. Ich könnte noch dieses Jahr ablösefrei wechseln.
Transfermarkt: Also haben Sie vom Ausland erstmal genug?
Öztürk: Deutschland wäre optimal, da ich die Sprache perfekt beherrsche, dort groß geworden bin und bei deutschen Top-Vereinen ausgebildet wurde. Ich würde zur Schweiz oder den Niederlanden oder Ähnlichem aber nicht Nein sagen. Es muss insgesamt für beide Seiten passen.
Transfermarkt: Welches sportliche Projekt würde Sie reizen?
Öztürk: Ich bin für alles offen. Für mich steht die sportliche Perspektive im Vordergrund. Ich möchte beim nächsten Verein Fuß fassen, dem Verein helfen und mich beweisen.
Transfermarkt: Glauben Sie noch an den großen Durchbruch?
Öztürk: Jeden Tag, ansonsten hätte ich keine Leidenschaft, und ohne Leidenschaft kann man keine Leistung bringen.
Interview: Benedikt Duda
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf www.transfermarkt.de