Die türkischen Fans mussten bei der UEFA EURO 2008 in jedem Spiel um ihr Team bangen. Mit Toren in letzter Sekunde qualifizierte sich ihre Mannschaft für die K.-o-Runde, doch im Viertelfinale schien sich das Schicksal gegen sie zu wenden. In der Verlängerung – in der 119. Minute – erzielte Kroatien das 1:0, die Türkei schien draußen, aber spät in der Nachspielzeit traf Semih Şentürk und rettete seine Mannschaft ins Elfmeterschießen. Und jetzt schlug die große Stunde von Rüştü Reçber. Mit seinen Heldentaten sicherte er sich einen Platz im Geschichtsbuch des türkischen Fußballs, als er den entscheidenden Ball hielt.
„Selbstverständlich feierten wir nach dieser Parade. Es war eine große Freude. Ich kann mich erinnern, dass bei uns ein wahrer Zusammenhalt herrschte. Bevor ich jedoch meine Teamkameraden umarmte, wollte ich den Spieler trösten, der den Elfmeter verschossen hatte“, sagte Rüştü über diesen Moment. „Die Feier war so intensiv, dass Ardas [Turan] Kopf an mein Ohr knallte, wodurch mein Trommelfell fast platzte!“
Das Schicksal ruft
Bis zur EURO 2008 war Rüştü nur noch die Nummer 2 in der Nationalelf, obwohl er seit 1996 als Stammkeeper alle Endrunden für die Türkei bestritten hatte, die bei der FIFA-WM 2002 sogar Platz drei belegte. Doch während seiner zweiten Zeit bei Fenerbahçe verletzte er sich in der Saison 2005/06, für ihn stand nun Volkan Demirel zwischen den Pfosten, der gleichzeitig auch Stammkeeper in der Nationalmannschaft wurde. Das hätte sich auch nicht geändert, wenn Volkan bei der EM 2008 im letzten Spiel der Gruppe A gegen die Tschechische Republik nicht die Rote Karte erhalten hätte.
Im Viertelfinale in Wien war der 35-Jährige in der regulären Spielzeit nicht zu bezwingen, sodass die Partie in die Verlängerung ging. Auch hier glänzte Rüştü, als er einen hervorragenden Freistoß von Darijo Srna hielt. Doch als Ivan Klasnić eine Minute vor Abpfiff traf, schien der Traum ausgeräumt. Aber Semih Şentürk schoss sein Team ins Elfmeterschießen. Alle Türken trafen, während Luka Modrić und Ivan Rakitić scheiterten. Und dann die Entscheidung: Mladen Petrićs trat an, der Keeper hielt – das Halbfinale war erreicht. Ekstase in Wien und in der Heimat.
Marathon-Mann
Das Halbfinale gegen Deutschland entschied wieder ein später Treffer, diesmal gegen die Türkei, denn in der 90. Minute schoss Phillip Lahm das 3:2 für die DFB-Truppe. Rüştü verkündete anschließend seinen Abschied, wurde aber überredet, vier Jahre weiterzumachen. Im Mai 2012 beendete er mit einem Sieg in einem Freundschaftsspiel gegen Finnland seine Karriere – nach 120 Länderspielen.
Der fünffache türkische Meister, der in der Saison 2003/04 sogar für Barcelona spielte, wollte nie Trainer werden. Stattdessen arbeitete er zunächst hinter den Kulissen. „Ich wollte in die Verwaltung und arbeitete fast ein Jahr beim Türkischen Fußballverband, fand dort aber nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Jetzt habe ich als Fernsehexperte die Möglichkeit, die Dinge zu sagen, die ich möchte.“
Die größte Nummer 1 der Türkei
Rüştü Reçber wird auf immer in den Herzen der türkischen Fans einen festen Platz haben, war er doch einer der wichtigsten Eckpfeiler bei den größten Erfolgen der Nationalmannschaft. Und er spielte eine entscheidende Rolle beim wohl spektakulärsten Sieg der Türkei.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf www.uefa.com
Autor: Türker Tozar