Ravil Tagir gilt als eines der größten Talente im türkischen Fußball. Dem 17-jährigen in Kasachstan geborenen Innenverteidiger wird nicht nur in der Türkei eine vielversprechende Karriere vorausgesagt. Der türkische Meister Medipol Basaksehir hat das Supertalent im Sommer von Altinordu verpflichtet. Für Tagir, dem eine ähnlich große Karriere wie Caglar Söyüncü zugetraut wird, überwiesen die “Eulen” 2,5 Millionen nach Izmir. Zudem sei Altinordu mit 30 Prozent am Weiterverkauf des Abwehrspielers beteiligt. Tagir wurde in Schambyl/Kasachstan geboren und kann als Linksfuß auch auf der linken Abwehrseite eingesetzt werden. Bislang war Tagir dreimal für die U21-Nationalmannschaft der Türkei aktiv. In der laufenden Saison absolvierte er die ersten beiden Saisonspiele von Altinordu über die volle Distanz. In Istanbul unterschrieb der vielversprechende Youngster einen Dreijahresvertrag.
Im großen Interview mit der „TamSaha“-Zeitschrift des türkischen Fußballverbandes (TFF) äußerte sich Tagir unter anderem zu seiner Kindheit, dem Umzug in die Türkei, seinem Weg zu Altinordu, seinem Wechsel zu Basaksehir und seine sowohl kurzfristigen als auch langfristigen Karriereziele. Tagir über…
… seine Kindheit und den Umzug in die Türkei:
„Ich habe sieben Jahre in Kasachstan gelebt, bevor ich im Alter von sieben Jahren in die Türkei kam. Wir lebten in einem Dorf in Schambyl. Ich erinnere mich an die guten Zeiten, die ich mit meinen Cousins verbracht habe. Wir haben dort viele Winter gesehen. Wenn ich an Kasachstan denke, fällt mir Schnee ein. Es war eine wunderschöne Umgebung. Ich denke, jeder sollte sich ein Bild vom Dorfleben machen. Wir gingen mit meinen Cousins und meinen Onkeln aufs Feld. Wir hatten einen Stall und Kühe, wo wir uns um sie kümmerten. [… ]Mein Vater kam 2000 zum ersten Mal in die Türkei. Ich war zu dieser Zeit noch nicht auf der Welt. Er kam hierher, um Arbeit als Koch zu finden. Wir hatten nämlich zuvor ein Restaurant in Kasachstan. Aber er konnte in der Türkei nicht viel Arbeit finden und wurde Maler. Wir sind alle türkische Staatsbürger geworden und leben seit zehn Jahren hier. Seitdem ich Profi geworden bin, arbeitet er aber nicht mehr.“
… den Weg zu Altinordu:
„Wie gesagt, ich war bis zu meinem siebten Lebensjahr in Kasachstan und hatte damals keine Beziehung zum Ball. Aber nachdem wir hierher gekommen sind, fingen wir sofort an, mit meinen Klassenkameraden Fußball zu spielen. Meine Lehrer Nevrak Apaydin und Mesut Karadeniz waren mit Ceyhun Kurtlar, dem Besitzer von Kültürspor, befreundet. Karadeniz schlug mich dort vor und ich ging mit meinem Vater zur Anmeldung. Unsere finanzielle Situation war nicht gut. Als die Anmeldegebühr verlangt wurde, sagte mein Vater, dass wir uns das nicht leisten können und wir beschlossen, zurückzukehren. Dann sagte Herr Kurtlar zu mir: „Komm schon, lass es uns versuchen. Mal sehen, wie du abschneidest.“ Ich tat mich ganz gut und wurde dort aufgenommen. Das Jahr verlief sehr gut. Ich habe in der Schulmannschaft gespielt. Dann erfuhr ich, dass Ceyhun Kurtlar im Altınordu-Scout-Team war. Er schlug mich Altınordu vor. Ich habe es dreimal versucht. Ich wollte beim ersten Mal nicht gehen, weil wir in Bursa lebten und Izmir weit weg war. Als ich zum dritten Mal ging, sagten sie: „Du wirst hier bleiben.“ Ich sah mit weinenden Augen meine Eltern an. Mein Vater dachte die ganze Nacht nach und sagte am Morgen zu mir: „Komm schon, lass uns nach Hause gehen.“ Ich antwortete: „Nein Papa, ich möchte hier bleiben“ und so begann mein Altınordu-Abenteuer.“
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… seinen Profi-Vertrag bei Altinordu:
„Ich war sehr aufgeregt, als mir gesagt wurde, dass ich Profi werden würde. Mein Vater rief an und sagte: „Wir fahren am Dienstag hin und werden einen professionellen Vertrag unterzeichnen.“ Natürlich war ich sehr aufgeregt. Aber vor mir waren Ältere. Ich dachte, ich könnte nicht in dieser Mannschaft spielen. Enes Sigirci, ein Mannschaftskollege, erlitt in der fünften Trainingseinheit eine Verletzung. Es war eine schwere Verletzung. Dann begann der Trainer mich in den Testspielen einzusetzen. Weil ich tat, was er wollte, hatte er Vertrauen in mich und gab mir mehr Chancen. So spielte ich sorgenfrei in einer gegenseitigen Vertrauensbeziehung. Auch wenn ich Fehler machte, stand mein Coach Hüseyin Eroğlu hinter mir. Durch das Vertrauen verbesserte ich mich von Tag zu Tag. Ich glaube nicht, dass ich mich so sehr verbessert hätte, wenn ich nur trainiert und nicht gespielt hätte.“
… seinen Durchbruch im Vergleich:
„Ich habe immer meine Freunde beobachtet und ihr Verhalten war eine Lehre für mich. Sie beschwerten sich ständig und befanden sich in einem Dilemma zwischen Freizeit und Fußball. Ich habe versucht mein Bestes zu geben. Ich habe stets das getan was mir gesagt wurde. Wenn es etwas zu lernen gab, egal ob in der Schule oder auf dem Platz, habe ich es gelernt. Ich habe mich nie beschwert. Ich denke, das ist der Grund, warum meine anderen Freunde verloren haben. Es gab viele Chancen, aber sie haben es falsch eingeschätzt. Ich habe knapp sechs Jahre bei Altinordu gespielt. Die gegebenen Möglichkeiten existieren nirgendwo. Meine Freunde sind deshalb nicht erfolgreich geworden, weil sie die meiste Zeit an ihre Freizeit gedacht haben. Ich wollte zudem, dass es meiner Familie gut geht. Es gab einige finanzielle Schwierigkeiten, die ich in meiner Familie gesehen habe. Ich wollte das ändern. Diese Situation gab mir Verantwortung. Ich wollte, dass sich unser Leben ändert. „Solche Möglichkeiten haben sie mir gegeben, warum nutze ich sie nicht aus?“, sagte ich mir selbst immer wieder. Und ich habe gelernt es wertzuschätzen“
… seinen Wechsel zu Basaksehir und seine kurzfristigen Ziele:
„Für diesen Transfer habe ich hart gearbeitet. Ich war jahrelang bei Altinordu und habe dort eine tolle Ausbildung genossen. In dieser Hinsicht grenzt sich Altinordu von anderen Vereinen ab. Sowohl meine Disziplin als auch andere mich auszeichnende Eigenschaften habe ich dem Klub zu verdanken. Bei Basaksehir beginnt für mich ein neues Abenteuer. Mein primäres Ziel ist, Stammspieler bei meinem neuen Verein zu werden und dadurch das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen. Mein Ziel ist die A-Nationalmannschaft und daher verfolge ich die Abwehrspieler ganz besonders. Da Caglar Söyüncü ebenfalls aus der Altinordu-Jugend stammt, konnte ich seine Entwicklung aus der Nähe beobachten. Sein Karriereweg und seine Disziplin sind großartig. Im Altinordu-Nachwuchs war er mein Vorbild. Wenn ich auf diesem Niveau bin, denke ich, dass ich ebenfalls das Trikot der A-Nationalmannschaft tragen werde. Das wird mir natürlich nur durch harte Arbeit gelingen. Anschließend möchte ich wie Cengiz Ünder und Söyüncü in spätestens zwei Jahren nach Europa wechseln. Als amtierender Meister sind wir sehr schlecht in die neue Saison gestartet. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass wir uns wieder fangen und eine erfolgreiche Saison spielen werden. Ich möchte mich in den Trainingseinheiten zeigen und mir einen Stammplatz erkämpfen.“
… seine langfristigen Ziele:
„Zuallererst würde ich gerne in der Premier League spielen. Abgesehen davon würde ich gerne für Real Madrid spielen. Ich verfolge die spanische Liga ganz genau. Und lerne auch Spanisch. Englisch kann ich bereits schon und Russisch beherrsche ich auch, obwohl es früher einmal besser war. Ich kann auch ein bisschen Deutsch. Ich arbeite hart, um mich nicht fremd zu fühlen, wenn ich eines Tages gehe. Ich bin schon oft im Ausland gewesen. Ich versuche immer mit Menschen in ihrer eigenen Sprache zu sprechen. Egal ob Spanisch, Englisch, Deutsch oder Russisch. Um mich zu schützen, höre ich nur Leuten zu, die seit Jahren in diesem Geschäft sind. Jeder sieht, dass sehr talentierte Fußballer von heute auf morgen nicht mehr da sind. Es gibt aber auch welche, denen der Durchbruch gelingt. Ich unternehme meine Schritte, indem ich auf deren Rat höre. Mir ist alles bewusst. Egal ob meine Coaches, Lehrer oder vertrauenswürdigen Brüder. Jeder Rat hat etwas gemeinsam: Es ist notwendig hart zu arbeiten und professionell zu leben. Abgesehen davon ist es notwendig, sich von allem Schlechtem fernzuhalten.“
… seine Vorbilder:
„Ich möchte nicht missverstanden werden, aber ich habe Alexandru Epureanu beobachtet, bevor ich zu Basaksehir kam. Mein Spielstil ist genauso. Im Ausland gibt es Clement Lenglet bei Barcelona, dem ich vom Spielstil her ähnele. Abgesehen davon gibt es Virgil van Dijk und Sergio Ramos. Ich beobachte ihre Arbeit. Ich habe viele Videos von Ramos gesehen wie er trainiert. Ich versuche ihre Professionalität nachzuahmen. Ich glaube, dass ich meine Ziele so erreichen kann. Als Innenverteidiger denke ich, dass ich nicht aggressiv genug bin. Innenverteidiger müssen aber aggressiv sein. Ich kann das zum Beispiel verbessern. Da ich ein ruhiger Typ bin, blieb ich auf dem Feld bisher auch sehr ruhig. Aber als Profi habe ich gelernt, dass dies nicht der Fall sein sollte. Ich muss alles für meinen Job tun. Ich habe viele Seiten, die ich verbessern kann. Auch kann ich bezüglich meiner Schnelligkeit und meinem Aufbauspiel noch einiges verbessern. Man sollte nie aufhören zu trainieren.“