Im vergangenen Sommer wechselte Nuri Sahin für 1 Million Euro von Borussia Dortmund zum SV Werder Bremen. Im ausführlichen Interview mit „Eurosport“ sprach das Eigengewächs des BVB über seinen Transfer zu den Grün-Weißen und Trainer Florian Kohfeldt, seine schwierige Zeit bei Real Madrid und seinen langjährigen Teamkollegen Mario Götze (26).
„Für mich war klar, dass ich nicht alles machen werde. Ich habe einen Sohn, der in die 2. Klasse geht. Ich hatte auch Angebote aus einigen Ländern, wo es finanziell im Moment sehr attraktiv ist. Ich hatte das große Privileg, dass ich in großen Vereinen gespielt und auch ordentlich verdient habe. In meiner Karriere war Geld nicht ausschlaggebend. Wenn es nur danach gehen müsste, wäre ich jetzt nicht in Europa. Werder war in erster Linie eine sportliche Entscheidung. Mir war klar, dass meine Familie das mitmacht“, begründete Sahin seinen Schritt nach Bremen.
Über seinen neuen Coach Florian Kohfeldt findet der 30-Jährige nur positive Worte. „Ich hatte auch schon Trainer, die ihren Job nicht geliebt haben, das muss ich ganz ehrlich sagen. Das merkst du als Spieler. Ein Trainer muss seinen Job lieben, sonst macht es den Spielern auch keinen Spaß. Man merkt: Er brennt für diesen Verein, für diesen Job. Er ist sehr fordernd. Ich bin mir sicher, dass er eine große Karriere und positive Zukunft hat, wenn er so weitermacht“, sagte Sahin, der in seiner Karriere unter anderem von José Mourinho, Bert van Marwijk und Jürgen Klopp trainiert wurde.
2011 hatte Sahin den Schritt aus Dortmund zu den „Königlichen“ von Real gewagt – und sich direkt zum Start am Knie (Innenband) verletzt. Den Wechsel bereue er heute nicht, erklärte der Mittelfeldspieler, aber: „Was ich vielleicht unterschätzte habe: Ich würde die Ellbogen heute anders ausfahren, so wie man es dort machen muss. Ich bin nicht der Typ dafür. Ich kam von Borussia Dortmund, wo gefühlt jeder mein bester Freund war, ein unglaublicher Zusammenhalt herrschte und ein Trainer [Jürgen Klopp; d. Red.] da war, der mich in- und auswendig kannte. In einem Star-Ensemble mit einem Star-Trainer, wo unheimlich viel Druck herrschte – ich war es nicht gewohnt. Ich war vielleicht zu lieb.“
Sahin führte weiter aus: „Ich hätte den Ärzten, die ich länger kenne, vertrauen sollen. Das waren Kleinigkeiten, die ich anders machen würde. Ich wollte diesen Wechsel, war Balljunge im Stadion gegen Real Madrid. In meinem Kopf war klar: Du willst dieses Trikot anziehen. Leider habe ich eine schwere Verletzung gehabt. […] Was mich geärgert hat: Ich habe nach diesen vier, fünf Monaten einfach keinen Anschluss mehr gefunden. Wie beim ICE ohne Haltestelle. Der Zug fährt durch, und wenn du raus bist, bist du raus.“ Für Real bestritt der in Lüdenscheid geborene Profi nur zehn Pflichtspiele (ein Treffer, eine Vorlage). Im August 2012 wechselte er auf Leihbasis zum FC Liverpool, im Januar 2013 folgte die Rückkehr zum BVB.
Mario Götze, der bei der WM 2014 als Finaltorschütze in die deutsche Fußball-Geschichte einging und aktuell von vielen Seiten kritisiert wird, verteidigt der 52-fache türkische Nationalspieler vehement: „Was dieser Junge geleistet hat, ist unglaublich. Ich weiß, dass die Vergangenheit im Fußball nicht zählt. Aber Fakt ist, dass der Junge erst 26 ist. […] Entweder war bei ihm alles saustark oder sauschlecht. Schwarz oder weiß. Ich finde es extrem unfair. Ich weiß, dass sich die Gazzetten [Zeitungen; d. Red.] besser verkaufen, wenn Mario auf der Titelseite ist. Aber man muss auch mal damit aufhören, über ihn zu reden. Das tut dem Jungen nicht gut. Ich finde, man sollte ihn in Ruhe und einfach mal machen lassen. Es ist offensichtlich, dass Mario im Moment sportlich ein bisschen hinterherhinkt. Das ist aber absolut menschlich.“
Sahin glaubt an ein Comeback des Offensivmannes und mahnt zugleich: „Er wird wieder zu alter Stärke finden, aber lasst ihn einfach in Ruhe. Er braucht Ruhe, er wird wieder kommen. Das Thema regt mich auf. Wir hatten in Deutschland und Europa so gute Fußballer, auf die man immer draufgehauen hat. Nicht jeder hat so eine große Persönlichkeit wie Michael Ballack, der die Ellbogen ausfährt.“
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst auf www.transfermarkt.de
Autor: PhilippMrq