Eine riesige Türkeifahne überspannt die heimische Tribüne direkt hinter dem Tor. Fans, die ihre Mannschaft anfeuern, tragen Trikots der türkischen Nationalmannschaft und schwenken zahlreiche türkische Fahnen. Das Szenario findet jedoch nicht in Ankara, Istanbul oder einer anderen türkischen Metropole statt. Es handelt sich dabei auch um kein internationales Auswärtsspiel mit türkischer Beteiligung. Wir befinden uns im Estadio Municipal de Riazor, der Sportstätte des spanischen Erstligisten Deportivo La Coruna aus dem gleichnamigen Ort A Coruna. Der galizische Fußballverein aus dem Norden Spaniens empfängt den Lokalrivalen Celta de Vigo. Und wie es meistens bei Derbys der Fall ist, verbindet diese Kontrahenten eine mehrere Jahrzehnte, in diesem Fall sogar Jahrhunderte anhaltende Feindschaft, dessen näherer Hintergrund in einem Vorfall aus dem frühen 16. Jahrhundert zu sehen ist. Das osmanische Reich steht auf dem Zenit seiner Macht. Unter der Regentschaft Süleyman I. wird das Reich der Osmanen um ein Vielfaches vergrößert. Ein wesentlicher Grund ist hierbei in der Vormachtstellung der Osmanen im Mittelmeerraum und die Verdienste des Oberbefehlshabers der osmanischen Mittelmeermarine Barbaros Hayreddin Pasa (Barbarossa, ital. „Der Rotbärtige“) zu sehen. Barbaros soll den Überlieferungen nach der Bevölkerung A Corunas seinerzeit geholfen haben, einen portugiesischen Aufstand niederzuschlagen und die Portugiesen über die Grenzen Vigos hinaus zurückgedrängt zu haben. Die Bevölkerung von Vigo, die sich mit den Portugiesen verbündet hatte, nannten die Einwohner von A Coruna fortan „Los Turcos“ (span. die Türken). Dieser Zustand hält bis heute an, so gilt unter den gegnerischen Fans, besonders von Celta de Vigo die Bezeichnung „Los Turcos“ als Beleidigung, während die Fans von Deportivo La Coruna diesen Schmähungen mit dem Schwenken türkischer Fahnen begegnen. Im Laufe der Zeit haben sich in A Coruna mehrere spanisch-türkische Freundschaftsvereine etabliert und türkische Flaggen sind nicht nur bei Fußballspielen, sondern auch bei Stadtfesten allgegenwärtig.
Der irische Fußballverein Drogheda United Football Club wurde im Jahre 1919 gegründet. Als man das Emblem des Erstligisten, dessen Vereinsfarben dunkelrot/blau sind, entwarf, bediente man sich der Zeichen aus dem Stadtwappen Droghedas, einem Halbmond und einem Stern. Das Stadtwappen von Drogheda enthielt in der ursprünglichen Fassung lediglich eine Burg, ein Schiff und drei Löwen, welche die Verbindung zur britischen Krone untermauern. Halbmond und Stern wurden später, oberhalb des ursprünglichen Wappens hinzugefügt. Als wesentlicher Grund hierfür ist ein Vorfall aus der Zeit um 1845 zu sehen, während in Irland eine schlimme Hungersnot herrschte, die bis zu einer Million Menschen das Leben kosten sollte. Im Zuge dieser Hungersnot erklärte sich der damalige osmanische Sultan Abdülmecid I. bereit, dem irischen Volk eine Zahlung von 10.000 Pfund Sterling zu spenden, um die herrschende Hungersnot zu beenden. Dieser Vorschlag wurde jedoch von der damaligen englischen Königin Victoria abgelehnt, da diese selbst nur 2.000 Pfund Sterling gespendet hatte und in der Spendenerklärung des osmanischen Sultans eine Beleidigung ihrer selbst sah. Das britische Königshaus forderte sodann Sultan Abdülmecid I. auf, seine Spende auf eine Zahlung in Höhe von 1.000 Pfund Sterling zu verringern. Um die osmanisch-englischen Beziehungen nicht zu gefährden und die Autorität der englischen Königin zu wahren, kam Sultan Abdülmecid I. dem Antrag der Briten nach und verringerte seine Hilfeleistung wie gefordert auf 1.000 Pfund Sterling. Von den Briten zunächst unerkannt, entsandte der osmanische Regent jedoch drei mit Lebensmitteln gefüllte Handelsschiffe zum Hafen von Drogheda. Als die britischen Seemächte dies erfuhren, versuchten sie die Schiffe abzufangen, was jedoch misslang. Die osmanischen Schiffe erreichten den Hafen von Drogheda unversehrt, wo die Ladung gelöscht und unter der Bevölkerung verteilt werden konnte. Aus Dank gegenüber den Osmanen wurden sodann die osmanischen Symbole Halbmond und Stern im Stadtwappen von Drogheda aufgenommen und thronen seither im oberen Teil des Wappens. Drogheda United Football Club unterhält eine Fanfreundschaft zum Schwarzmeerclub Trabzonspor, welcher dieselben Vereinsfarben hat.
Eine weitere Geschichte führt uns an die belgisch-deutsche Grenze und zu einem beschaulichen kleinen Dorf namens Faymonville. Der Überlieferung nach widersetzten sich die Einwohner von Faymonville im 16. und 17. Jahrhundert der immer größer werdenden Steuerlast unter dem kirchlichen Einfluss mit der Begründung, sie hätten heimlich ein Bündnis mit dem osmanischen Reich geschlossen. Zur Zeit des osmanischen Reiches unterlagen Umfang und Höhe der Steuer allein im Ermessen der osmanischen Obrigkeit und hingen unmittelbar davon ab, in welcher Art und Weise das unterworfene Volk sich zum osmanischen Regenten bekennte. Auch hier etablierte sich die Bezeichnung „Die Türken“ für die Einwohner von Faymonville und es entwickelte sich eine Nähe zum türkischen Volk, obwohl es keine einzige offizielle Beziehung zur Türkei gibt. In einem der ältesten Gebäude des Dorfes, der Bibliothek, fallen in Marmor gravierte Halbmonde und Sterne auf. Der örtliche Fußballverein trägt den Namen R.F.C. Turkania Faymonville 1798, auch hier schmücken Halbmond und Stern im Stile der türkischen Fahne das Vereinswappen.
Ein Kommentar
Wann kommt eigentlich mal wieder eine Europatour von Gazetefutbol?