In der Türkei kennt ihn so gut wie niemand, in Belgien hingegen entwickelt er sich zu einer großen Nummer. Halis Yen (32) ist seit drei Jahren beim 16-maligen belgischen Meister Club Brügge als Scout tätig. Obwohl er mit 20 Jahren seine aktive Laufbahn als Fußballer beendete und sich dem Lehramt widmete, ließ ihn die große Leidenschaft nicht los. Mit 28 Jahren kehrte er zurück ins Fußballgeschäft. Er ist maßgeblich daran beteiligt, dass der belgische Fußball sich mehr und mehr zu einem Ausbildungsland für junge Akteure entwickelt. Schließlich konnte Brügge in den letzten vier Jahren ein Plus von 38,8 Millionen Euro aus Abgängen generieren.
Brügge und belgischer Fußball werden zur Talentschmiede Europas
Beispielsweise verpflichteten die Blau-Schwarzen dank eines erfolgreichen Scoutings Wesley für eine Million Euro vom slowakischen Erstligisten Trencin und verkauften ihn vergangenes Jahr für 24 Millionen Euro an Aston Villa. Arnaut Daunja kam vor zwei Jahren für 2,8 Millionen Euro von NEC Nijmegen und wurde nach nur einer Spielzeit für 18 Millionen Euro ebenfalls in die Premier League verkauft. Hinzu kommen Akteure wie Jose Izquierdo (kam für 3,8 Millionen Euro von Once Caldas, ging für 15 Millionen Euro zu Brighton) und Marvelous Nakamba (kam für 3 Millionen Euro von Vitesse Arnheim, ging für 12 Millionen Euro zu Aston Villa). Halis Yen sprach mit der türkischen Presse über diese Erfolgsgeschichten, seinen eigenen Werdegang sowie den Unterschieden zwischen dem belgischen und türkischen Fußball. Yen über…
… seinen persönlichen Lebenslauf
„Ich bin 32 Jahre alt. Mit dem aktiven Fußball musste ich im Alter von 20 Jahren aufhören und widmete mich anschließend dem Lehramt. Acht Jahre später bin ich als Fußballtrainer und Scout zurückgekehrt. Ich verfüge über eine UEFA B-Lizenz und bereite mich auf die Prüfungen zum Konditionstrainer vor.“
… die Wichtigkeit von Jugendabteilungen und des Scoutings in Belgien
„Alle Vereine in Belgien richten ihren Hauptfokus auf die Jugendabteilung. Allein wir haben 30 Scouts, die sich nur um Juniorenspieler kümmern. Jeder Scout hat seine eigene Altersklasse und sein Gebiet. Ab der U8-U9 fangen wir an, Spieler zu sichten. Spieler mit Potenzial tragen wir in unsere Systeme ein und generieren somit eine umfangreiche Datenbank. Wir zielen darauf ab, jedes Jahr zwei Spieler aus der Jugend hochzuziehen und sie einzusetzen. Der Präsident sieht den Verein wie ein Unternehmen. In jeder Abteilung arbeiten Experten. Durch Akteure wie Danjuma, Izquierdo, Nakamba und Wesley haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel Geld verdient. Dies wird sich mit Sicherheit fortsetzen.“
... die Quintessenzen der Spielersichtung und die ersten Ansätze in der Türkei
„Ich finde, dass man sich in der Türkei viel zu spät Gedanken über das Thema Jugendförderung gemacht hat. Heute sind wir stolz auf Ozan Kabak, Yusuf Yazici, Ugurcan Cakir, Merih Demiral und Caglar Söyüncü. Den Fokus auf Juniorenspieler sollte man nicht aufgrund von finanziellen Engpässen setzen, sondern fest in die Vereinspolitik integrieren. Bevor wir einen Spieler verpflichten, setzen wir uns mit dem Trainerstab zusammen. Wir versuchen Informationen über Stärken, Schwächen, Verletzungen, Bildungsweg, Sozialverhalten und den Kontakt mit den Mitmenschen zu bekommen. Im Anschluss treffen wir eine Entscheidung für oder gegen den Spieler. Vorher bewerten ihn mindestens fünf Scouts. Wir arbeiten mit dem Soccerlab-System.“
… die Frage, ob Scouts nur junge Spieler sichten
„Es ist egal, ob ein Spieler 20 oder 32 ist. Wenn er einen Mehrwert generieren kann, muss man sich ein Bild von ihm machen. Passt er ins Mannschaftsgefüge? Passt er in unser System? Letztendlich sollte man einen Fußballer nicht in jung oder alt unterscheiden, sondern in gut oder weniger gut.“
… die Kosten einer Scoutingabteilung
„Scouting müsste man als eine Art Investition bewerten. Ein Scoutingdepartment analysiert die Spieler bis ins letzte Detail und übergibt dem Sportdirektor oder Trainer einen Bericht. Dabei sollte die finanzielle Ausgangslage des Klubs eine Rolle spielen. Wenn man für 100.000 Euro eine Scoutingabteilung gründet und zwei Jahre später an einem Fußballer drei Millionen Euro verdient, lohnt sich das Investment definitiv. Wichtig ist, dass man geduldig ist.“
… seinen Draht zum türkischen Fußballverband und der Nationalmannschaft
„Ich habe mehrmals versucht, mit dem Verband Kontakt aufzunehmen. Leider habe ich nie eine Rückmeldung erhalten. Mein großer Traum ist irgendwann für die Türkei in Europa die Kinder unserer Gastarbeiter-Generation zu sichten. Allerdings muss ich sagen, dass aus Belgien in den letzten Jahren kaum ein türkischer Spieler den Sprung geschafft hat. Leider sind wir in der Hinsicht nicht so erfolgreich wie Deutschland. Das würde ich gerne ändern.“