Bis vor zwei Jahren waren in der Türkei auf der Torwartposition immer noch Namen wie Rüstü Recber und Volkan Demirel in aller Munde. Über knapp zwei Jahrzehnte hinweg prägten diese beiden Torhüter die Nationalmannschaft. Lange Zeit konnte man keine weiteren Torhüter hervorbringen, die den beiden Goalies das Wasser reichen, geschweige denn verdrängen konnten. Somit wurden die Namen von Recber oder Demirel immer an erster Stelle auf die Taktiktafel geschrieben. Doch seit geraumer Zeit sieht man Fortschritte in Fußball-Türkei. Die große Auswahl an talentierten Keepern um u.a. Ugurcan Cakir, Altay Bayindir, Ersin Destanoglu, Berke Özer, Dogan Alemdar und Irfan Can Egribayat beziehungsweise den erfahrenen Hintermännern um Mert Günok, Günay Güvenc, Volkan Babacan und Gökhan Akkan führt nun dazu, dass sich die Fans des türkischen Fußballs mittlerweile darum streiten, wer zwischen den Pfosten stehen soll.
„Ich kann es immer noch nicht glauben“
Schon bald könnte ein noch 17-Jähriger zu den oben genannten Namen dazustoßen: Mert Demirci Nijmeijer. Ende Januar wechselte das Torwarttalent von der U19 des FC Valencia (Juli 2019 bis Januar 2021) in die U19 von Atletico Madrid. Zu dem Klub, bei dem sein Vorbild Jan Oblak das Tor hütet. Angesprochen auf dieses Thema, konnte man dem Youngster die Freude von den Augen ablesen: „Ja, es ist der Wahnsinn. Um ehrlich zu sein, kann ich es immer noch nicht glauben. Mein Berater hat mich angerufen und mir die Details mitgeteilt. Ich war schockiert. So sehr, dass ich sogar anfing zu zittern. Danach ist alles ganz schnell gegangen. Erst dachte ich mir, dass ich mich einfach mal bei Valencia probiere. Aber als das Angebot von Atletico kam, habe ich nicht eine Sekunde gezögert. Um zur Frage zurückzukehren: Oblak ist möglicherweise der beste Torhüter der Welt und hat trotz seiner Größe sehr gute Reflexe. Daran muss ich selbst noch arbeiten“, so der selbstbewusste Schlussposten, der hohe Bälle und das Passspiel zu seinen größten Qualitäten zählt.
„Fernando Torres hat mir gratuliert“
„Das Training ist tatsächlich härter als in Valencia. Daher habe ich die Chance, mich hier noch besser zu entwickeln. Ich hoffe, dass mir eines Tages der Sprung in die Profimannschaft gelingt. Aber diese Chance muss ich mir selbst ermöglichen. Erst einmal muss ich mich deshalb im Nachwuchsbereich empfehlen. Mit Antonie Gomes werde ich mich mit einem richtig guten Spieler im Konkurrenzkampf befinden. Mein Ziel ist es so viel wie möglich auf dem Platz zu stehen. Und ich denke, dass mir das soweit gelingen wird“, so Demirci bezüglich seinen Ambitionen beim spanischen Hauptstadtklub. Bereits zum Einstieg durfte er sich von einem Welt- und Europameister beglückwünschen lassen. Fernando Torres, der 110-fache Nationalspieler Spaniens, ist damit beschäftigt, seine Trainerpapiere zu bekommen und macht ein Praktikum bei verschiedenen Jugendteams von Atletico. Er berät auch die größten Angriffstalente der höheren Altersklassen, so dass er beim Debüt von Demirci zufällig als Spezialtrainer anwesend war: „Er kam zu mir, um mir zu sagen, dass ich sehr gut gespielt habe. Ich denke, es ist eine echte Ehre, dass mir so jemand das sagt, weil er alles erreicht hat und wirklich ein Vorbild für die Menschen hier ist.“
Niederlande oder Spanien?
Wer bis jetzt gedacht hat, dass Mert Demirci für die Türkei auflaufen würde, irrt sich gewaltig. Der Goalie ist aufgrund seiner Mutter niederländischer Staatsbürger. Als gebürtiger Madrider hat Demirci natürlich auch das Recht, eine internationale Karriere für Spanien anzustreben. Allerdings hat er aber immer das Land seiner Mutter bevorzugt, wo er jährlich die Sommermonate mit seinem Großvater und seiner Großmutter in Assen verbringt. Demirci durfte seit seinem 16. Lebensjahr mit der ersten Mannschaft in Valencia trainieren und wurde daher auch zur U17 der „Oranje“ eingeladen, wo er vorerst keine Spielzeit bekam. Gegenüber dem niederländischen Nachrichtenportal „Voetbalzone“ äußerte er sich auch zur Nationalmannschaftsfrage: „Die Wahl wäre schwieriger, wenn sich der spanische Verband bei mir melden würde, aber das ist nie passiert. Wenn es dazu kommt, kann ich mich zum Glück immer an meine Eltern wenden um gute Ratschläge zu erhalten. Auf jeden Fall fühle ich mich in Bezug auf die Niederlande sehr gut und hoffe, dass ich erneut eine Rolle spiele, wenn die Jugendspiele wieder ausgetragen werden können.“ Theoretisch wäre es aufgrund seines Namens und türkischen Wurzeln auch möglich für die Türkei aufzulaufen. Allerdings hat der türkische Fußballverband (TFF) bis dato keinen Kontakt mit dem Torwarttalent aufgenommen.