Ein leidenschaftlicher junger Mann, der sich dem Fußball verschrieben hat. Ein idealistischer Philosoph. Er weiß, wie er gewinnen will. Und auch, wie man verliert. „Karagümrük hat einen wirklich guten Trainer und Spielplan. Nachdem Franceso Farioli gekommen ist, versuchen sie das Spiel von hinten aufzubauen und sie haben es in kurzer Zeit sehr gut umgesetzt. Sie lassen auch viele junge Spieler zum Einsatz kommen. Ich möchte ihnen gratulieren.“ Diese Aussagen gehören Nationaltorhüter Ugurcan Cakir nach dem Spiel von Trabzonspor gegen Fatih Karagümrük im vergangenen April. Nein, Sie erinnern sich nicht falsch. Trabzonspor gewann das Spiel, aber die Verlierer bekamen das Lob. Wie die große Legende Johan Cruyff einst sagte: „Gewinnen ist natürlich wichtig. Aber deinen eigenen Stil haben, Leute, die dich nachahmen, dich bewundern. Das ist das größte Geschenk.“
Farioli: Jüngster Trainer der Süper Lig
Viele Fußballfans aus der Türkei möchten schon sehr lange Farioli, den jüngsten und interessantesten Trainer der Süper Lig, näher kennenlernen. Zunächst war der 32-jährige Italiener bei Aytemiz Alanyaspor der zweite Mann hinter Chefcoach Cagdas Atan. Danach kam Mitte März das Angebot aus Istanbul, woraufhin er vom Mittelmeer an den Bosporus wechselte. Farioli, der tatsächlich nur im Besitz der UEFA-B-Lizenz ist, machte nach seiner Ankunft am „Goldenen Horn“ sofort auf sich aufmerksam. Egal ob durch sein impulsives Auftreten an der Seitenlinie oder die Spielweise seiner Schützlinge. Im Exklusiv-Interview mit Onur Özgen von „Goal Türkiye“ gibt der aus Florenz stammende Farioli nicht nur Einblicke in Bezug auf seine äußerst beachtliche, fußballerische Denkweise. Zwischen den Zeilen lässt sich auch die menschliche Seite lesen. Farioli spricht im ausführlichen Interview auch über die „Probleme“ in der Fußball-Türkei und hat tolle Lösungsvorschläge parat.
Goal: Sie haben als Torhüter mit dem Fußballspielen begonnen und Ihre Karriere mit 21 Jahren freiwillig beendet. Wie haben Sie das entschieden?
Farioli: Eigentlich habe ich in einigen Jugendteams Fußball gespielt. Aber mein Denken und meine Herangehensweise an das Spiel waren sehr professionell. Daher passten meine mentale Herangehensweise und das Niveau, das ich gespielt habe, überhaupt nicht zusammen. Und ich hatte damit einige Schwierigkeiten. Mit anderen Worten, ich war mit meinem Fußballbewusstsein an einem Ort und mit meinen körperlichen Eigenschaften und meiner Technik an einem anderen Ort. […] Ich habe mit 19 Jahren angefangen als Trainer zu arbeiten. Also war ich zwei Jahre lang Trainer und Spieler. Mit 21 Jahren hatte ich die Chance, in die erste Mannschaft zu kommen. Ich musste eine Entscheidung treffen. Einerseits sah ich die Chance, diese Leidenschaft als Beruf auszuüben. Natürlich war der Versuch, Trainer zu werden, nicht sicher, denn zu dieser Zeit war ich in der italienischen 5. Liga, das war semiprofessioneller Fußball. Während mich eine der beiden Optionen hochziehen würde, würde mich die andere runterziehen. […] Ich studierte damals noch und entschied mich einen Schritt in die Richtung zu gehen und begann mit dem Coaching. Das war der Wendepunkt.
Goal: Sie haben eine Weile bei der Aspire Academy in Katar gearbeitet. Wie kam es zu dieser Gelegenheit und was hat Ihnen diese Erfahrung gebracht?
Farioli: Diese Gelegenheit hatte ich, denn jetzt ist die Welt des Fußballs international geworden. Es gibt viele Verbindungen, die Leute reden miteinander. Es gibt große Transfers von einem Ort zum anderen, von einem Land zum anderen. Diese Gelegenheit kam, weil ich arbeitete und weil die Leute etwas über meine Arbeit lernten und sich für sie interessierten. Für mich gab es drei besondere Momente: Meine Reise von Italien nach Katar, meine Rückkehr von Katar nach Italien und meine Reise von Italien in die Türkei. Und natürlich die interne Veränderung, die vor einigen Monaten stattgefunden hat. Ich hatte Erfahrungen bei der Aspire Academy in Katar und mit der Nationalmannschaft gemacht. Natürlich denke ich auch an die WM 2022. Es war der Ort, an dem meine größte persönliche Veränderung stattfand. Ich weiß nicht, wie man es auf Englisch sagt, aber auf Italienisch nennen wir es „autodidatta“. Etwas mit Erfahrung zu tun, um sich zu erfrischen, bedeutet, mit seinen Instinkten zu wachsen. […] Wenn sie denken, dass etwas nützlich sein könnte, arbeiten sie daran und versuchen, es mit Ihrer Vorstellungskraft anzuwenden. Normalerweise arbeite ich dort, wo ich meine Ideen und Methoden einbringen kann. In Katar war die Situation umgekehrt, denn ich traf auf eine Organisation, die ein sehr klares Spielmodell und eine sehr klare Methodik hatte. Ich hätte mein Fußballwissen dorthin mitnehmen sollen, aber um ehrlich zu sein, hatte ich auch eine großartige Gelegenheit, mich selbst zu lehren und aufzubauen. Der Grund, warum ich nach Katar ging, war speziell dafür. Weil ich das Gefühl hatte, dass dies eine Art Universität für mich sein könnte.
Ich war 25 und das war der perfekte Zeitpunkt für mich. Ich bin sehr schnell von der fünften in die vierte und von dort in die dritte Liga aufgestiegen. Irgendwann habe ich bemerkt, dass ich schon bald in der Serie A landen kann. Aber ich dachte: „Es ist besser, dieses Niveau zu erreichen, auch wenn es ein oder zwei Jahre später passiert.“ Dorthin zu kommen, dort zu bleiben, sich den Herausforderungen und der Umwelt zu stellen. Deshalb habe ich Katar als die richtige Wahl empfunden und mich entschieden, in diese Richtung zu gehen. Zwei Jahre später hatte ich die Gelegenheit, mit Roberto De Zerbi nach Italien in die Serie A zurückzukehren. Ich war 27 Jahre alt und das war natürlich eine unglaubliche Chance für mich. Ich war der jüngste Trainer im italienischen Fußball, aber darüber hinaus fühlte ich mich bereit, mich dieser Art von Herausforderung zu stellen. Es war verrückt, weil wir zu Benevento gegangen sind, die mit null Punkten das Tabellenschlusslicht der Liga waren. Ich fühlte, dass meine Schultern stark genug waren, um diese Last zu tragen. Wenn ich also zurückblicke, sehe ich dies. Vielleicht hat es noch ein oder zwei Jahre gedauert, um den großen Schritt zu machen und an die Spitze zu kommen. Aber auf diese Weise war ich bereit, da zu sein, wenn sich die Gelegenheit ergab. Da wir nie ganz fertig sind, geht es immer ums Lernen. Ich war erfahren genug, um mit solchen Situationen umzugehen.
Goal: Einige Fußballblogger können heute zum Trainer befördert werden. Der bemerkenswerteste von ihnen ist Marco Roses Assistent Rene Maric. Während Ihrer Arbeit in Katar haben Sie einen Artikel über Roberto De Zerbis Foggia geschrieben und seine Aufmerksamkeit erregt. Können Sie erklären, was im weiteren Verlauf passiert ist?
Farioli: Es war wirklich so. Ich habe für Wyscout geschrieben, was damals wie ein Blog für taktische Analysen war. Ich hatte beschlossen, etwas über De Zerbis Foggia zu schreiben. Ich habe versucht, den Spielplan zu erklären, die Prinzipien, was sie in den verschiedenen Teilen des Spiels gemacht haben und dergleichen. Der Artikel wurde auf Wyscout gepostet und einige Wochen später bekam ich eine Nachricht vom Fitnesstrainer. Er fragte nach meiner Nummer und die Nachricht lautete: „Herzlichen Glückwunsch, der Artikel ist sehr gut. Du hast sehr viele Punkte richtig erkannt.“ Er sagte mir damals, dass ich noch mehr ins Detail ging als das, was sie besprachen. Tatsächlich war es, als würde man von De Zerbi gelobt werden, denn er sprach für De Zerbi. Dort endete unser Gespräch, wir schrieben noch einige Male, aber sonst geschah nichts. Eineinhalb Jahre später, als er nach Benevento ging, hatte De Zerbi zum ersten Mal die Chance, sein gesamtes technisches Team aufzubauen. Ich erinnere mich sehr gut, ich war zu Hause. Das Telefon klingelte, ich sah den Namen von Roberto De Zerbi. Während das Telefon klingelte, packte ich meinen Koffer. Ich wusste nicht, was er von mir wollte, aber ich tat es, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Dann bot er mir an, seinem Team beizutreten. Innerhalb von zehn Tagen packte ich meine Sachen und hatte die Gelegenheit, dorthin zu gehen, um ihm zu helfen.
Goal: Sie sind als Torwarttrainer in das Team von De Zerbi eingetreten, aber Ihre Aufgaben im Training bestanden hauptsächlich darin, den Spielaufbau und das Pressing zu gestalten. Wie würden Sie die Bedeutung dieser beiden Konzepte im modernen Fußball beschreiben? Warum sollte eine Fußballmannschaft das Spiel von hinten aufbauen und vorne pressen, wenn sie den Ball verliert?
Farioli: Das muss nicht jedes Team tun. Wie Sie sehen, gibt es Teams, die unterschiedliche Strategien und Ansätze verfolgen. Es ist also nicht so wichtig. Ich war für den Teil verantwortlich, der mir während der Trainingseinheiten am meisten gefallen und Spaß gemacht hat. Wenn man sich unsere Spiele und die Dinge ansieht, die wir machen wollen, dann sieht man, dass wir eine ganz klare Botschaft senden und der Mannschaft eine Identität geben wollen. Es ist klar, dass das Spielen von hinten für uns ein wichtiger Bestandteil ist, wir legen großen Wert auf dieses Thema im Training und im Spiel. Wir glauben, dass es uns einen Vorteil bringen wird, das Spiel auf diese Weise zu spielen. Gleichzeitig ist dies die Form des Fußballs, die ich mag und an die ich glaube. Das fällt mir also leichter. Es geht nicht wirklich um Leichtigkeit oder Schwierigkeit, denn das ist die Art von Fußball, der ich näher stehe. Es ist die einzige Form des Fußballs, die ich meiner Mannschaft zeigen kann, denn so fühle ich mich. Ich versuche weiterzugeben, was ich fühle und was in mir steckt. Denn ich denke, als Trainer kann man seiner Mannschaft nicht etwas zeigen, was man selbst nicht hat.
Goal: Ich würde gerne die Geschichte von Ihrem Wechsel zu Alanyaspor hören. Wie war der erste Kontakt? Merih Demiral soll eine wichtige Rolle gespielt haben, stimmt das?
Farioli: Ja, definitiv. Von da an kamen wir ins Gespräch und ich hatte die Gelegenheit, mich mit dem Klub zu treffen, um meine Position zu definieren. Wir haben Cagdas Atan kontaktiert, er hat mir die Tür geöffnet, um mich seinem technischen Team auf meine Weise anzuschließen, und ich bin ihm für diese Gelegenheit dankbar. Ich danke auch dem Klub und dem Präsidenten. Nach unserem ersten Treffen wollte der Präsident unbedingt, dass ich nach Alanya komme. Er behandelte mich wie seinen Sohn und als sich die Gelegenheit bot, sagte er: „Jetzt ist es Zeit zu gehen.“ Ich werde nie vergessen, was er zu mir gesagt hat und wie er mich unterstützt hat, als sich die Gelegenheit bot. Ich werde auch nicht vergessen, was er in den wenigen Interviews über mich gesagt hat, die er nach meiner Abreise gegeben hat. Die Stadt Alanya und der Präsident werden immer in meinem Herzen sein.
Goal: In einem Interview sagte Ihr Ex-Spieler Salih Ucan, dass Sie ein leidenschaftlicher Mensch sind. Sie sollen auch eine kindische Seite haben. Ist das wahr?
Farioli: Was ich über Leidenschaft sagen kann; Ich bin jung und natürlich habe ich Träume. Aber darüber hinaus arbeite ich hart für meine Träume. Fußball habe ich nicht gespielt, mein Vater weiß nicht, ob der Ball rund oder eckig ist. Alles, was ich bisher gemacht habe, ist das Ergebnis davon, mich immer bis zum Ende zu pushen. Ich versuche, den Spielern das gleiche Gefühl zu vermitteln. Ich vertrete den untersten Teil der Fußballhierarchie. Deshalb kann ich eine Reduzierung in Sachen Komfort, Hingabe und Intensität nicht akzeptieren. Wenn ich weniger arbeite als andere, habe ich keine Chance, mit ihnen zu konkurrieren, weil ich weniger erfahren bin und noch keine Karriere gemacht habe. Das muss ich irgendwie nachholen. Um auf diesem Niveau mithalten zu können, muss ich hart arbeiten und neue Ideen einbringen können.
Goal: Worüber haben Sie zu Beginn der Saison mit Cagdas Atan gesprochen? Ist er ein Vertreter derselben Philosophie wie Sie und De Zerbi oder hatten Sie Meinungsverschiedenheiten?
Farioli: Wir lieben den gleichen Fußball und glauben an den gleichen Fußball. Es war ein gutes Aufeinandertreffen. Er hat mir viele Freiheiten gelassen und versucht zu helfen. Als Co-Trainer sind wir da, um die Trainer zu unterstützen, und ich habe versucht, so hilfreich wie möglich zu sein. Wir hatten das Glück, uns kennenzulernen, denn unsere Fußballprinzipien überschneiden sich im Allgemeinen. Wir spielen gerne mit dem Ball und pressen auch gerne.
Goal: Bei Alanyaspor hatten Sie Schwierigkeiten, Spiele zu gewinnen, in denen Sie mehr als 70 Prozent des Balls hatten. Was war das größte Problem, mit dem Sie in diesen Matches konfrontiert wurden, in denen der Gegner Sie sehr tief erwartete?
Farioli: Insbesondere ab Dezember haben sich die Gegner dazu entschlossen, im letzten Drittel auf uns zu warten. Damals spielten wir alle drei Tage ein Spiel und hatten nicht die Möglichkeit genug zu trainieren. Ich denke, das war der Hauptgrund. Es geht auch darum, das richtige Spielerprofil für diese Art von Matches zu wählen. Zu dieser Zeit hatten wir nicht genügend Spieler zum Rotieren, insbesondere auf einigen Positionen, sodass einige Spieler müde wurden. Ich denke, das ist normal, denn wir haben uns diesen Herausforderungen zu einer Zeit gestellt, als wir keine Zeit zum Trainieren hatten.
Goal: Das Fenerbahce-Spiel in Istanbul war eines dieser Spiele. Tatsächlich war Cagdas Atan nach dem Spiel sehr wütend und sagte, dass eine große Mannschaft so nicht spielen sollte. Was denken Sie darüber? Glauben Sie, dass eine große Mannschaft Konterfußball spielen kann?
Farioli: Meiner Meinung nach sollten Vereine vor der Trainerwahl entscheiden, welche Art von Fußball sie sehen möchten. Dann müssen sie sich für das Coach-Profil entscheiden und der Coach sollte diese Werte vertreten. Großer oder kleiner Verein, das ist mir egal. Die Verantwortlichen müssen entscheiden, was sie auf dem Spielfeld sehen wollen. Große Vereine werden wahrscheinlich näher an Meisterschaften, Trophäen und guten Ergebnissen sein. Aber am Ende muss der Verein entscheiden, welchen Fußball er spielen will. Dies ist auch in Italien nicht üblich. Klubs verfolgen die entgegengesetzte Richtung, wenn die Vereinsführungen wechseln. Aber ehrlich gesagt fühlt sich das für mich einfach nicht richtig an. Ich schätze Vereine mit einer klaren Vision in der Welt und in Europa. Ein Beispiel dafür ist Leipzig. Sie sind sich sehr klar über die Mentalität, das Trainerprofil und den Fußball, den sie sehen wollen. Ein weiteres großartiges Beispiel ist Barcelona mit Guardiola, Villanova und Luis Enrique. Es ändert sich etwas, ja. Aber die Hauptidee ist, den Ball zu haben. Im Red-Bull-Projekt pressen alle Teams vorne.
Ich denke, es geht um die Philosophie und Vision des Clubs. Wenn ein großes Team Konterfußball spielen möchte, kann es das, es ist eine Wahl. Aber auch hier glaube ich, dass ein großartiges Team die Verantwortung übernehmen sollte, Vorreiter zu sein und nicht die Fehler anderer abzuwarten. Dies ist meine persönliche Empfehlung. Ich würde genau das gleiche tun, selbst wenn ich Trainer einer Mannschaft wäre, die um die Meisterschaft spielt, oder wenn ich eine Mannschaft trainiert hätte, die den Abstieg verhindern sollte. Weil ich glaube, dass der Weg, den ich vorschlage, der geeignetste Weg ist, um Ergebnisse zu erzielen. Vereine müssen also entscheiden, ob sie mir zustimmen (lacht).
Goal: Sie hatten in dieser Saison sechs italienische Spieler in Karagümrük. Ich frage mich, ob das ein wichtiger Faktor bei ihrer Einstellung war. Wie sind Ihre Gespräche verlaufen?
Farioli: Wir haben uns sehr schnell mit Präsident Süleyman Hurma, dem zweiten Präsidenten Serkan Hurma und Fußballdirektor Murat Akın getroffen. Sie hatten sich entschieden, einen bestimmten Fußballstil zu spielen. Sie dachten, ich sei die geeignetste Option unter den Kandidaten, um diesen Fußball zu spielen. Ich weiß nicht, wie effektiv meine Nationalität in diesem Fall war, aber ich denke, es war nur ein zusätzliches Merkmal. Weil ich das Gefühl hatte, dass sie einen Trainer suchen, der mein Spiel spielt. Bei unserem ersten Treffen sagten sie, welche Art von Fußball sie gerne sehen würden, und ich sagte: „Das ist der Stil, den ich mag.“ Beim ersten Treffen, das ich mit den Spielern hatte, waren auch der Präsident, Serkan und Murat anwesend. Ich habe alles erklärt und gesagt: „Schau, das ist Fußball, an den ich glaube und den ich kenne. Dies hat sowohl positive als auch negative Folgen. Wenn wir uns alle auf die Verantwortlichkeiten einigen können, würde ich mich freuen, sie zu vertreten und dieses Team zu coachen.“ Es war diese Bindung, die wir teilten, die diese Art von Beziehung möglich machte. Der den Sommer über stattfindende Scouting-Prozess und die neuen Spieler werden nach dieser gemeinsamen Vision bestimmt. Andererseits danke ich Süleyman Hurma, Serkan und Murat ebenso wie dem Präsidenten von Alanyaspor. Weil sie die mutige Entscheidung getroffen haben, einem 31-jährigen Trainer ein Süper Lig-Team anzuvertrauen. Das ist im Fußball eine Seltenheit und ich bin dankbar, diese Verantwortung übernehmen zu können.
Goal: Sie haben Karagümrük sehr schnell Ihren eigenen Spielstil übertragen. Wie haben Sie das erreicht?
Farioli: Als Karagümrük mir ein Angebot gemacht hat, kannte ich die Mannschaft und die meisten Spieler sehr gut. Ich wusste, dass ich die Mannschaft in wenigen Tagen meinen Vorstellungen näher bringen konnte, weil es Spieler gab, die den Fußball spielen konnten, den ich liebte. Aber um ehrlich zu sein, haben sie die Änderungen schneller angenommen als ich erwartet hatte. Denn zwischen meiner Unterschrift und unserem ersten Spiel lag nur ein zehntägiges Trainingslager, und wir waren in nur drei Tagen eine komplette Mannschaft. Sie haben die Message erstaunlich schnell verstanden. Unser erstes Match in Rize war eines der besten in Bezug auf das Spielverständnis. Wir haben den letzten Teil verpasst, und ich denke, das war der Teil, in dem wir uns in den letzten zwei oder drei Wochen des Prozesses stark verbessert haben. Aber was auch immer wir versucht haben, meine Spieler haben es geschafft und sie haben es sehr gut gemacht. Im Rizespor-Spiel haben wir, wenn ich mich richtig erinnere, mit 73-74 Prozent Ballbesitz gespielt. Es war eine große Veränderung für sie und man konnte von diesem Moment an die Kommunikation zwischen ihnen sehen.
Goal: Sie sind aufgrund verschiedener Probleme gegen Göztepe auf eine 3-1-4-2-Formation umgestiegen. Jimmy Durmaz spielte als linker Verteidiger, während Jeremain Lens als linker Mittelfeldspieler spielte. Trotz den neuen Positionierungen ist es Ihnen gelungen, Ihren Fußballstil beizubehalten. Jeder Spieler schien seine Aufgabe sehr gut zu kennen. Ich denke, Ihre Überzeugungskraft bei den Spielern ist nicht schlecht, was denken Sie?
Farioli: Ich weiß nicht, ob das an meinem Talent liegt oder an der Verständnisfähigkeit der Spieler. Ich sehe Fußball nicht nur in Positionen. Ich denke, Fußball hat Kontinuität. Natürlich ist es für Jimmy nicht dasselbe, auf der „Acht“, der „Zehn“ oder den Flügeln zu spielen, als einen Innenverteidiger zu spielen. Aber was wir von jeder Position auf dem Feld wollen, ist das Gleiche. Die Verbindung ist überall gleich. Gleiches gilt für Jeremain. Er ist ein natürlicher Flügelspieler, aber ein kluger Spieler, der versteht, was wir wollen. Natürlich hat jede Position andere Anforderungen und Tricks. Aber im Allgemeinen, besonders wenn wir den Ball haben, geht es darum, zusammen zu sein und verbunden zu sein. Ich denke, das ist das Wichtigste. Das Spiel gegen Göztepe war vielleicht unser bestes Match. Wir hatten ein paar Aktionen, die auf über 40 Pässe kamen. Alle waren beteiligt, es war unglaublich. Ich versuche, meine Ideen zu vermitteln, wir trainieren dafür, und ich hatte eine fantastische Resonanz in diesem Spiel. Bei der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte ich, es sei der schwierigste, aber auch der beste Moment meiner Karriere, weil meine Spieler auf die Herausforderung reagiert haben. Sie zeigten in dieser herausfordernden Zeit unglaublichen Enthusiasmus und Stolz. Sie alle ragten heraus, Jimmy war unglaublich, jeder, der an diesem Tag bei dem Spiel war, war unglaublich. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Wenn ich eines Tages jemandem sagen muss, wie er angesichts von Schwierigkeiten reagieren soll, zeige ich die 90 Minuten des Göztepe-Spiels.
Goal: Sie haben auch jungen türkischen Spielern wie Efe Tatli, Serhat Ahmetoglu, Egemen Pehlivan und Aksel Akta die Chance gegeben. Meiner Meinung nach ist dies das Thema, worin Sie während der Karagümrük-Zeit das meiste Lob erhalten haben. Was möchten Sie über diese Spieler sagen?
Farioli: Ich gebe das Lob an die Spieler weiter, weil sie es verdienen. Ich habe ihnen kein Geschenk gemacht. In den ersten drei Tagen fiel es mir schwer, Efes Gesicht zu erkennen, weil es so viele Spieler gab. Eines Tages war ich ihm während des Spiels im Training sehr nahe und hatte das Gefühl, dass Iniesta neben mir steht. Und an diesem Abend sagte ich zu der Mannschaft: „Ja, Leute, vielleicht ist er ein Spieler, der noch keine Minute gespielt hat. Aber wenn er so weiterarbeitet, wird er vielleicht nicht Iniesta sein, aber zumindest Efe Tatlı. Er ist nicht nur ein Akademiespieler, der mit uns trainiert, um die Zahl im Training zu erhöhen.“ Im Laufe der Zeit kam die Gelegenheit. Er war in der Startelf im Galatasaray-Match und war ohne Zweifel der Spieler des Spiels. Er hatte im Grunde alles getan. Ich vertraue den Spielern und dem Willen der Spieler. Das Alter auf dem Ausweis ist mir egal. Es geht nicht um das Alter, sondern darum, was sie auf dem Feld tun und wie sie den Plan umsetzen. Ich habe ein Beispiel zu Efe gegeben, Sie haben Egemen erwähnt. Ein Spieler, der normalerweise ein Stürmer ist, aber manchmal als Nummer 8 spielt, manchmal als Außenverteidiger. Auch Serhat und Aksel haben uns in fast allen Spielen gute Rückmeldungen gegeben.
Wenn ich Serhat in einem Satz beschreiben müsste, kann ich sagen, dass er der Spieler ist, der mit der besten Mentalität trainiert. Er tut immer das, was verlangt wird, auf die beste Art und Weise. Er verstand, was er lernen konnte und lebte jede Position, als wäre es das Champions-League-Finale. Natürlich ist er jünger, er wird Fehler machen, vielleicht wird er nicht spielen, vielleicht wird er auch einen Stammplatz bekommen. Aber die Art und Weise, wie er trainiert, ist erstaunlich. Deshalb mache ich mir keine Sorgen um junge Talente. Als Trainer habe ich die Verantwortung, die vom Verein gewünschten Ergebnisse zu erzielen, aber meine Hauptaufgabe besteht darin, die Spieler zu entwickeln, und ich liebe diese Verantwortung. Gleichzeitig gehört es zu unseren Aufgaben, Spieler für die Nationalmannschaft des Landes vorzubereiten, in dem wir arbeiten. Sie wissen es bereits, aber ich könnte viele Beispiele nennen. Ebenso habe ich in Alanya versucht, sehr gute junge Spieler wie Fatih Aksoy, Umut Günes, Efkan Bekiroglu und Berkan Kutlu auf den türkischen Fußball und den nächsten Karriereschritt vorzubereiten. Mit dieser Denkweise bin ich auch nach Katar gekommen. Wir haben die Spieler auf die WM vorbereitet. Ebenso werden durch unsere Arbeit in Sassuolo Spieler für 30-40 Millionen Euro verkauft. Ich hoffe, dass wir solche Spieler in Karagümrük und wo immer ich arbeite, verkaufen können. Um nachhaltig zu sein, müssen wir die Spieler darauf vorbereiten können, sie in Zukunft zu verkaufen. Vielleicht ist das der Hauptteil unserer Arbeit.
Goal: Es gibt eine anhaltende Debatte über die Anzahl ausländischer Spieler, die in der Türkei auf dem Platz stehen können. Was halten Sie als ausländischer Trainer von dieser Diskussion?
Farioli: Alle Regeln und Entscheidungen werden in irgendeiner Weise Auswirkungen haben. Ich denke, wir müssen Szenarien schaffen, in denen Gewohnheiten die Regeln überschreiten. Wir brauchen keine Regeln, um bestimmte Dinge durchzusetzen. Wenn der Spieler gut ist, denke ich, dass der gute Spieler spielen sollte. Die Motivation hinter dieser Regel ist leicht zu verstehen, aber es wird definitiv irgendwann Nachteile geben. Irgendwann wird der Wettbewerb nur noch zwischen türkischen Spielern ausgetragen. Sie konkurrieren untereinander, aber nicht mit anderen.
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Goal: Trotz der Tatsache, dass die Süper Lig im Vergleich zu anderen Ligen in Europa das höchste Durchschnittsalter aufweist, ist die Türkei die jüngste Mannschaft bei der EURO 2020. Was möchten Sie zu diesem Widerspruch sagen?
Farioli: Es ist eine seltsame Situation. Aber das bedeutet, dass es in der Türkei viele talentierte junge Spieler gibt. Das glaube ich voll und ganz und deshalb habe ich eine positive Einstellung zur Türkei. Ihr natürliches Talent und ihre Fußballintuition sind unglaublich. Um ehrlich zu sein, ist die Türkei meiner Meinung nach in dieser Hinsicht eine der besten in Europa. Wir geben türkischen Spielern nicht viel Zeit, ich denke, die meisten verdienen es, ihren eigenen Raum und ihre eigene Zeit zu bekommen. Was wir versuchen und in Zukunft tun werden, ist, die Idee zu ändern, dass wir erfahrene Spieler brauchen, um Fußball zu spielen. Wenn Mannschaften in Europas Top-5-Ligen mit 18-jährigen Spielern spielen können, warum können wir dann nicht 18-Jährigen diese Möglichkeit geben? Natürlich müssen sie spielbereit sein. Es ist eine Verantwortung, aber wir müssen uns bewusst sein, dass der türkische Fußball voller türkischer Talente ist. Sehr gute Spieler findet man auch in der TFF 1. Lig und 2. Lig.
In Italien sagt man: „Der Garten des Nachbarn sieht immer grüner aus.“ Ich bin anderer Meinung, wir müssen auch auf unserem eigenen Markt Talente finden. Dies ist eine gemeinsame Verantwortung. Wie wir in der Akademie arbeiten, wie wir die Spieler auf ein bestimmtes Niveau vorbereiten und so weiter. Ich denke, wir in der Türkei – ich sage „wir“, weil ich mich in diesem Prozess verantwortlich fühle – wir haben jetzt die Möglichkeit, diesen Schritt zu gehen. Denn sonst wird es zu spät sein. Wenn die Türkei wie vor Jahren in Europa mithalten will, sollte sie zuerst nach innen schauen. Sie sollte beginnen, Talente zu entwickeln und sie in der Liga zu halten. Natürlich gehen die besten Talente an die besten Teams der Welt, aber warum kommt die beste Mannschaft der Welt nicht aus der Türkei? Weil die Tradition, Unterstützung, Liebe und der Einfluss, die Sie haben, verrückt sind. Wir müssen mit dieser Verantwortung leben und ein Umfeld schaffen, das den türkischen Fußball zu den Standards führt, die er verdient. Ich hoffe, wir können Teil dieses Prozesses sein.
Goal: Einige ausländische Trainer, die in der Türkei arbeiten, sagten, dass das größte Problem im türkischen Fußball mit Taktik und Organisation zusammenhängt. Stimmen Sie dem zu, gibt es weitere Probleme, die Sie beobachten?
Farioli: Fußball ist überall Fußball. Ich sehe keine großen Unterschiede. In Italien gibt es sicherlich Trainer, die in eine andere Richtung arbeiten, aber dennoch ist Fußball überall Fußball. Die Schwierigkeiten sind die gleichen, wenn auch mit kleinen Unterschieden. Ehrlich gesagt, sehe ich nichts Besonderes an der Türkei. Oder es gibt keinen so großen Unterschied um zu sagen, dass Italien so ist und die Türkei so. Meiner Meinung nach ist Fußball ein Spiel, das elf gegen elf gespielt wird. Und wir müssen uns nach den Bedürfnissen des Spiels richten.
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Ein Kommentar
Sehr interessantes Interview! Danke GF